Flächenausbau statt Flächenrückbau

Mehr Quadratmeter? Ja, bitte!

7. Januar 2015
von Christina Busse
Die großen Filialisten schließen Läden, setzen sich kleiner. Und der unabhängige Buchhandel? Der geht, wenn auch in anderem Maßstab, durchaus Erweiterungen an. Fünf Buchhändler, die ihren Laden vergrößert haben - und gut damit gefahren sind.

Buchhandlung Herwig, Göppingen

"Wir sprechen Kunden durch unsere hohe Aufenthaltsqualität an", sagt Till Herwig, Geschäftsführer der Firma Erwin Herwig GmbH & Co. KG mit insgesamt fünf Buchhandlungen im Schwäbischen. Das Stammhaus in Göppingen war seit 1877 an seinem Platz, 2011 zog die Buchhandlung in einen Neubau um und erweiterte dabei ihre Verkaufsfläche von etwa 200 auf gut 700 Quadratmeter.

"Entscheidend für den Umzug war der bessere Standort. Aus dem Stammsitz war inzwischen eine Randlage geworden, jetzt sind wir wieder in 1A-Lage mitten in der Innenstadt", so Herwig über den Wechsel und die damit verbundene Investition von rund 600.000 Euro. An der neuen Adresse habe man das schon bisher erfolgreiche Ladenkonzept noch besser umsetzen können: Viel Frontalpräsentation, große Ruhezonen und integriert auf rund 100 Quadratmetern eine professionell betriebene Kaffeebar mit über 40 Sitzplätzen.

"Die neue Fläche wirkt großzügiger, klarer und moderner. Hier kommen animierende Präsentationselemente besonders gut zur Geltung, sie sind raumprägend und zu unserem Markenzeichen geworden", sagt Herwig. Veranstaltungen mit bis zu 120 Gästen seien dank optimierter Technik und einem Aufzug für die Bestuhlung mit weniger Aufwand durchzuführen.

Gleichzeitig hat die Buchhandlung ihr Sortiment ausgebaut. Besonders das neu aufgenommene Pressesortiment komme besser an als erwartet, das gelte vor allem für die Lifestyle-Magazine, bilanziert Herwig. Deutliche Umsatzzuwächse misst er bei Kalendern und Glückwunschkarten: „Sie leben stark von der Präsentation“, so die Erfahrung des Buchhändlers, der rund 70 Prozent seines Umsatzes mit dem Buchsortiment und damit über einen stabiles Kerngeschäft erwirtschaftet.

Buchhandlung Jutta Dräger, Neulußheim

Zehn Jahre nach Gründung ihrer Buchhandlung wurde es Jutta Dräger auf 60 Quadratmetern zu eng. Da für sie feststand, dass sie in Neulußheim, einer kleinen Gemeinde im Rhein-Neckar-Kreis mit rund 6.500 Einwohnern, bleiben wollte ("Ich habe meinen Kundenstamm, Laufkundschaft gibt es im Dorf wenig"), sah sie sich vor Ort nach einer neuen Bleibe um und wurde ganz in der Nähe fündig: In der gleichen Straße konnte sie pünktlich zum Welttag des Buches im April 2013 in neuen Räumen eröffnen und damit ihre Verkaufsfläche auf 120 Quadratmeter verdoppeln.

"Vorher waren hier eine Metzgerei und ein Gemüseladen drin. Da diese Fläche für mich zu groß gewesen wäre, wurde sie geteilt", freut sich Dräger über das Entgegenkommen durch den Vermieter und die zentralere Lage mit größerer Schaufensterfront. Seit dem Umzug habe der Umsatz angezogen, das ausgebaute Angebot an Nonbooks werde gut angenommen und es fänden mehr Kunden den Weg in die Buchhandlung. „Auch mehr Jugendliche, denen der kleine Laden vielleicht zu „privat“ war", vermutet Dräger.

Buchhandlung Lesebär, Edenkoben

"Der Zeitpunkt war günstig", meint Ilona Gratzke, wenn sie mit fast zwei Jahren Abstand auf den Umzug ihrer Buchhandlung Lesebär im pfälzischen Edenkoben zurückblickt. Gebracht hat er eine um 30 auf 100 Quadratmeter erweiterte Fläche, den Ausbau des Sortiments, mehr Kunden und höhere Einnahmen. "Wir konnten den Umsatz richtig steigern", berichtet sie, "von November 2013 auf November 2014 um etwa ein Drittel."

Anlass für den Ortswechsel war der Verkauf der Immobilie, in dem die Buchhandlung seit ihrer Gründung 2004 zuhause war. Der Lesebär musste sich im etwa 2.200 Einwohner zählenden Edenkoben ein neues Dach über dem Kopf suchen. "Wir haben die Chance genutzt, unser Angebot schöner zu präsentieren", sagt Gratzke, die dadurch neue Kunden gewinnen konnte. Die Buchhandlung hat ihr Sortiment mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendbuch zwar nicht ausgeweitet, kann es aber jetzt viel besser ins rechte Licht rücken. Weil das Sachbuch-Segment heute sichtbarer im Laden sei, kämen beispielsweise mehr Männer in die Buchhandlung, stellt Gratzke fest.

Auch Nonbooks gehen gut: Neben losem Tee bietet der Lesebär inzwischen Kaffee, Tassen und Schmuck an. Neu sind auch Schreibwaren, weil der frühere Anbieter in Edenkoben geschlossen hat und Ilona Gratzke ein Angebot vor Ort aufrechterhalten wollte. Ob sie an weiteren Flächenzuwachs denkt? "Wir sind personell an unsere Grenze gestoßen", sagt die Buchhändlerin dazu, die das Geschäft zusammen mit Mitinhaberin Rosalinde Kiefer, einer weiteren Mitarbeiterin sowie Aushilfen führt. Lieber soll das Angebot mit der Zeit gehen.

Buchhandlung Franzis Hensch, Aachen

"Raus aus der Innenstadt", wollte Franzis Hensch mit ihrer 1995 gegründeten Buchhandlung in Aachen. "Der alte Standort lag zwar zentral, aber das Viertel hatte sich dramatisch verändert. Der Einzelhandel ging vor die Hunde", erzählt die Buchhändlerin. Ihr ehemaliges Ladengeschäft steht seit dem Auszug leer. Sie selbst hat in Aachen-Brand im September 2013 neu eröffnet: Aus der Frauenbuchhandlung "hers" wurde in diesem Zuge eine Stadtteilbuchhandlung unter ihrem eigenen Namen, die Verkaufsfläche ist mit gut 50 Quadratmetern fast doppelt so groß. "Für mich stand die Lage im Vordergrund, die Fläche war Nebensache", sagt Hensch, die sich jetzt in 1A-Lage sieht.

Der Umzug habe sich sehr gelohnt, so das Fazit der Buchhändlerin nach gut einem Jahr, und auch der Zuwachs an Raum bringe viele Vorteile mit sich: Bessere Laufwege, neue Möglichkeiten für Veranstaltungen und vor allem eine deutlich luftigere Präsentation mit mehr Frontalansicht. Einzelne Einrichtungsstücke wie ein blauer Schrank und ein roter, samtbezogener Ohrensessel würden jetzt wesentlich besser zur Geltung kommen. Die insgesamt größere Zahl an Sitzgelegenheiten unterstreiche ihr Gesamtkonzept, so Hensch: "Eine typische Wohlfühlbuchhandlung, die Anregung bietet und in der man sich in Ruhe umgucken kann." Dazu gehören von Anfang an auch Nonbooks, die deutlich zum Profil der Buchhandlung beitragen, etwa Schokolade, Tee und weitere Geschenkartikel – "alles, was ich selber auch kaufen würde", so Hensch, die jetzt wieder "sehr optimistisch" in die Zukunft blickt.

Buchhandlung Vogel, Böblingen

Weil der Mietvertrag auslief, musste Brigitte Schütz mit ihrer Buchhandlung die angestammten Räume in der Böblinger Bahnhofsstraße verlassen. Sie machte das Beste aus der Situation und ergriff die Gelegenheit, ihr seit 1954 bestehendes Geschäft zu vergrößern und sich optisch neu aufzustellen. "Das Ganze hat sich nur positiv ausgewirkt", zieht Schütz rückblickend Bilanz. Direkt gegenüber vom alten Standort fand sie ein passendes Ladenlokal, mit 150 Quadratmetern rund 60 Quadratmeter größer als das alte. "Es ist ein Glück, dass wir direkt hier wieder etwas gefunden haben und so die Kundschaft behalten konnten." Außerdem sei der Zuspruch seit der Neueröffnung gewachsen, die Kundenfrequenz gestiegen. "Wir erhalten viele positive Rückmeldungen", stellt die Buchhändlerin fest.

Das Mehr an Fläche nutzt sie vor allem als Chance, um ihr Sortiment großzügiger zu präsentieren - nicht auf weiteren Regalmetern, sondern auf Mitteltischen. Auch die größere Bewegungsfreiheit kommt bei den Kunden gut an - ebenso wie die Lesungen, die seit dem Umzug in der Buchhandlung Vogel stattfinden. Bis zu 50 Besucher haben dabei Platz. "Wir sind glücklich, dass wir es gemacht haben", stellt Schütz fest. Auch dem sechsköpfigen Team habe der Neuanfang einen "Motivationsschub" gegeben: "Der Umzug hat uns zusammengeschweißt, alle haben gemeinsam angepackt."

Mehr zum Thema Flächenrückbau, Flächenausbau im Buchhandel lesen Sie in Börsenblatt 1 / 2015.