Frankfurt Undercover auf der Buchmesse

Autoren wollen sich einmischen

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Das Autorenforum Frankfurt Undercover auf der Frankfurter Buchmesse ist heute unter dem Motto "Grenzen und Barrieren, Kulturen und Scheidewege" gestartet. Die zentrale Frage: Wie lässt sich wachsender Extremismus eindämmen und Multikulturalismus ermöglichen.

Wir werden geradezu überschwemmt mit bedrohlichen Nachrichten und fürchterlichen Bildern: Der Krieg in der Ukraine, die Barbarei der IS-Milizen, der Gaza-Konflikt, die Ebola-Seuche. Es scheint gerade so, als lebten wir in einer Zeit stetig zunehmender internationaler Krisen. Diese haben in jedem Fall zu einem drastischen Anstieg der Flüchtlingszahlen geführt. Unter dem Titel Frankfurt Undercover hat die dänische Schriftstellerin Janne Teller deshalb gemeinsam mit der Frankfurter Buchmesse 25 internationalen Autoren eingeladen, um unter der Überschrift "Borders & Barriers, Cultures & Crossroads" ("Grenzen und Barrieren, Kulturen und Scheidewege") über um sich greifenden Extremismus und massive Migrationsbewegungen zu diskutieren.

Bei einem Pressegespräch stellte Teller heute gemeinsam mit Buchmessedirektor Juergen Boos ihre Idee eines Gedankenaustauschs von Autoren auf der Messe vor. "Die traditionelle nationale Politik hat offenbar keine Antwort auf Extremismus. Deshalb starten wir ein Experiment und versuchen, politische Fragen mit einer Gruppe ausgewählter Schriftsteller anzusprechen", sagte die Schriftstellerin.

Die Buchmesse wiederum möchte die Rolle von Schriftstellern auf der Messe stärken und hat somit mit der Autoren Lounge einen neuen Platz der Zusammenkunft von Schriftstellern etabliert. Die Messe antworte mit dem Angebot zudem auf den Wunsch der Autoren nach einem Rückzugsort, sagte Juergen Boos.

Jane Teller will mit den von ihr eingeladenen Autoren, darunter John Burnside, Esther Kinsky und Michael Kleeberg (komplette Autorenliste am Ende), Fragen diskutieren wie: Was bedeutet es für einen Menschen, aus seiner Heimat zu fliehen und zu versuchen, in der Fremde ein neues Leben zu beginnen? Welche geopolitischen Veränderungen bringt es mit sich, dass immer mehr Menschen vertrieben und zu Flüchtlingen gemacht werden oder sich freiwillig zur Emigration entschließen? Was veranlasst Menschen dazu, sich auf einen ungewissen Weg zu begeben? Es gehe dabei darum, darüber nachzudenken, wie das Zusammentreffen von Kulturen in etwas Positives umgewandelt werden kann, sagte Jane Teller: "Egal, ob wir nun für oder gegen Multikulturalismus sind, das alltägliche Miteinander von Menschen ganz unterschiedlicher Abstammung ist eine unbestreitbare Tatsache. Wir müssen einen Weg finden, aus diesem Miteinander nicht nur eine Anstrengung zu machen, sondern eine positive Kraft rund um den Erdball."

Janne Teller, die selbst lange Jahre als Konfliktberaterin von EU und UNO in Afrika und im Nahen Osten unterwegs war, glaubt, dass Autoren andere Wege finden können als die Politik: "Vielleicht kommen wir, eben weil wir uns mit dem universell Menschlichen befassen, auf andere Ideen, wie wir künstliche kulturelle Barrieren auf beiden Seiten besser überwinden können, um zu einer Verständigung zu gelangen."

Die überwiegende Zahl der Autoren, die an der Debatte teilnehmen, haben selbst Erfahrungen mit Heimatverlust machen müssen oder aber in Büchern über Extremismus und Flucht nachgedacht.

Das Projekt endet am Freitag mit einer öffentlichen Präsentation des Ergebnisses der Zusammenkunft in der Autoren Lounge (12.30–13.30 Uhr). Teller möchte dann ein „Kompendium von Ideen" vorstellen. Sie nennt es "ein Geschenk von Schriftstellern an die Politik".

Bleibt nur zu hoffen, dass aus "Frankfurt Undercover" kein Versteckspiel wird und alle Interessierten die Autoren Lounge (Halle 5.1, Zutritt über die Via Mobile) auch finden, was eine nicht zu unterschätzende Leistung ist. Eine schmale Treppenflucht führt von Höhe der Ebene 1 an der Vorderseite der Halle 5 wieder ein Stück hinab und man gelangt mit etwas Glück schließlich zu Räumen, von denen Boos selbst sagt: "Wir wussten gar nicht, dass es diese hier gibt."

Unter den teilnehmenden Autoren sind:

Fadhil Al-Azzawi

Meltem Arikan

Marica Bodrožić 

Steffen Bründel 

John Burnside

Vanessa Fogel

Olga Grjasnowa 

Arnon Grünberg

Oscar Guardiola-Riviera

Josef Haslinger

Gail Jones

Esther Kinsky

Mely Kiyak

Michael Kleeberg 

Katri Lipson

Afrizal Malna

Jagoda Marinic

Charl-Pierre Naudé

Tom Rachman

John Ralston Saul

Moritz Rinke

Michael Schindhelm

Michail Schischkin 

Samuel Shimon

Tzveta Sofronieva

Steven Uhly

Najem Wali

Stefan Weidner