Frankfurter Buchmesse

E-Book-Debatte im Börsenblatt-Café: „20 Prozent vom Nettoerlös? Also wirklich!“

6. Oktober 2010
von Börsenblatt
Die Digitalisierung stellt die Branche vor unzählige Fragen. Welche Rolle spielen Verlage künftig noch, wenn Autoren ihre Werke auch selbst vermarkten, weil dann für sie mehr hängen bleibt? Im Börsenblatt-Café in Halle 4.0 D 1339 machten sich Insider auf die Suche nach Antworten. Lesen Sie die Zusammenfassung oder hören Sie die Veranstaltung im O-Ton.

Werden Agenten ihren Einfluss tatsächlich ausbauen? Und ist ihr Verhältnis zu Verlagen wirklich so angespannt, wie es Meldungen aus den USA oft glauben machen? Viele Fragezeichen, wenn es um E-Books und die veränderte Wertschöüpfungskette geht. Die von Börsenblatt-Redakteurin Sandra Schüssel moderierte Diskussionsrunde – zum Thema „E-gitt? Das Problem der digitalen Rechte“ – kam mühelos in Schwung. Auf dem Podium saßen Jörg Dörnemann, Geschäftsführer von epubli, der Agent Michael Meller, Inhaber der Michael Meller Literary Agency, die Autorin Cora Stephan und Bernhard von Becker, Justiziar im Verlag C.H. Beck. Und die hatten sich und dem Publikum einiges zu sagen.

Zum Beispiel Cora Stephan, die unter dem Pseudonym Ann Chaplet Kriminalromane veröffentlicht. Als das Gespräch in Richtung Honorare steuerte, schaltete sie sich ein. Und ja, sie schaltete schnell auch einen Gang höher. „Autoren und Agenten empfinden die aktuelle Situation nicht als fair“, betonte sie.

Autoren und die Liebe

Stephan hadert - mit Verlagen genauso wie mit manchen ihrer Kollegen. „Viele Autoren interessieren sich oft gar nicht dafür, wie viel Geld sie letztlich erhalten. Sie wollen geliebt werden und gehen bestimmten Auseinandersetzungen schlicht aus dem Weg.“ Autoren seien deshalb oft gar nicht in der Lage, Druck auf Verlage auszuüben. „Das könnte sich bei der digitalen Verwertung noch zu einem echten Problem auswachsen.“ Momentan würde zwischen Autoren und Verlagen jedenfalls nicht groß verhandelt. Verlage setzten die Standards – und basta. Stephan, hörbar erregt: „20 Prozent vom Nettoerlös? Also wirklich, da werde ich unruhig.“

Stephan landete damit einen Volltreffer. Denn unruhig wurden nun prompt auch ihre Nachbarn auf dem Podium, vor allem Michael Meller und Bernhard von Becker.

Das wird noch werden

Meller, international erfahrener Agent, leistete Stephan erwartungsgemäß Beistand, zumindest in finanzieller Hinsicht. Der Honoraranteil müsse steigen, so Meller – und das werde er auch. Etwas anderes sei gar nicht denkbar. Meller: „Ich bin mir sicher, dass wir demnächst 40 bis 60 Prozent sehen werden.“  Demnächst? „Ja, in spätestens fünf Jahren. Dazu muss der Markt aber erst in Schwung kommen.“

Nach welchen Regeln seine Agentur bis dahin verfährt: Er verhandele nicht groß. Wenn Verlagen der geforderter Betrag zu hoch sei, behalte er eben die digitalen Rechte – mit der Option für den Verlag, später noch einmal zu verhandeln. Das Argument der Verlage, sie zahlten schon bei einem Anteil von 20 Prozent (am Nettoerlös) drauf, ließe er nicht gelten – 25 bis 30 Prozent müssten schon drin sein.

Zuhören lernen

Erwartbar auch die Reaktion des Justiziars von Becker. „15 bis 25 Prozent: Viel mehr wird momentan nicht gezahlt – es weiß ja keiner genau, wo es hingeht.“  Verlage würden Unsummen investieren. „Da kann ich durchaus verstehen, dass sie sich nicht weiter aus dem Fenster lehnen.“ Um den Konflikt, die aktuelle Starre am Markt, zu lösen, empfiehlt er, dass Verlage und Agenten enger zusammenrücken. Von Becker: „Wir müssen lernen, einander besser zuzuhören.“

Klar, dass Stephan das nicht unkommentiert ließ. „Wir Autoren haben ja doch immer Verständnis“, entgegnete sie. „Ihr lieben Verlage: Sucht doch auch mal den Kontakt zu uns, den Autoren.“ Per Order von oben 20 Prozent festzusetzen, sei keine gute Lösung.

Selbst ist der Autor 

Jörg Dörnemann von der Holtzbrinck-Tochter epubli kennt derlei Sorgen nicht. Er vertrat heute die Gruppe der Selfpublishing-Plattformen. Autoren stellen dort ihre Werke ein, Leser können sie direkt (DRM-frei) herunterladen. Das Grundgerüst des Konzept: Die einen erhielten einen höheren Anteil, die anderen kauften zu günstigeren Preisen. Verlage sind hier außen vor, der Zwischenbuchhandel ebenfalls.

In den USA macht dieses Modell längst Furore. Dörnemann geht davon aus, dass auch der deutsche Markt einen Selfpublishing-Aufschwung erleben werde. „Wir machen ein komfortables Angebot.“


Morgen geht es weiter im Börsenblatt-Café – mit folgenden Themen:


11 Uhr Schon abgehängt oder gut aufgestellt? Der Buchhandel und das Geschäft mit digitalen Inhalten

14 Uhr Mehr Hardcore: Brechen Autoren und Verlage alle Tabus im Jugendbuch?