Frankfurter Buchmesse 2010

Heikle Bestseller? Diskussion im Börsenblatt-Café

8. Oktober 2010
von Börsenblatt
Im Börsenblatt-Café ging es heute am frühen Nachmittag um die Frage, wie Buchhändler mit heiklen Bestsellern umgehen. Es diskutierten Gabriele Wörner (Buchhandlung Vaternahm, Wiesbaden), Dieter Dausien (Buchladen am Freiheitsplatz, Hanau), Rainer Moritz (Leiter des Literaturhauses Hamburg, Autor und Kritiker), Torsten Casimir (Chefredakteur des Börsenblatts) und Sabine Schwietert (Redakteurin beim Börsenblatt). Mit Tonaufzeichnung und Video (siehe unten).

Heikle Bestseller wie Thilo Sarrazins "Deutschland schafft sich ab" erregen die Gemüter der Öffentlichkeit. Im Rahmen der Diskussion gerade um jenen Titel mussten sich auch die Buchhändler die Frage stellen, wie sie mit dem Buch umgehen.

Für Rainer Moritz erzeugen solche Titel "Erregung auf Knopfdruck". Es sei sehr absehbar, wer sich wann und wie in die Diskussion einmische. Auch im Buchhandel wurde diskutiert - nicht zuletzt mit den Kunden. Möglicherweise auch über die Frage, warum der ein oder andere Buchhändler diesen Titel nicht verkaufen wollte.

Gabriele Wörner jedenfalls hat den Titel in ihrem Laden verkauft. "Ich möchte kein Zensor sein. Zwar bin ich nicht Sarrazins Meinung, aber ich bin dafür, dass er sie äußern darf." Sie hatte das Buch nicht im Laden ausgestellt, gar unter dem Tisch gelagert und auf Anfrage unter dem Tisch hervorgeholt und dann mit den Kunden diskutiert.

Auch Dieter Dausien hat das Buch verkauft. "Wir haben das Buch auf Wunsch bestellt, hatten es aber nicht vorrätig." Es gebe Kollegen, die gesagt hätten, das bestelle ich nicht. "Das machen wir nicht. Kunden sollen die Bücher bekommen, die sie haben möchten, es sei denn, es sind Bücher, die gegen das Grundgesetz verstoßen. Zensur durch den Buchhandel halte ich für überzogen". so Dausiens Einschätzung.

Buchhändler machen Bestseller? Gilt dieser Satz noch heute?

In der Buchhandlung von Gabriele Wörner werden "viele Bestseller gemacht. Wir lesen die Bücher, preisen sie an, jubeln sie hoch". Das komme bei den Kunden gut an, die die Empfehlungen gerne annehmen. Die gängigen Bestseller-Listen hat sie in ihrem Geschäft erst gar nicht ausgehängt.

"Bei mir sind die eigenen Bestseller deutlich im Übergewicht", berichtet auch Dieter Dausien. Die Spiegel-Liste hänge bei ihm ebenfalls erst gar nicht im Laden.

Für Rainer Moritz ist es sehr wichtig, "dass Buchhändler ihre eigenen Bestseller machen. Das merken die Kunden und honorieren das auch."In der Belletristik sei dies einfacher als im Sachbuch. In der Belletristik gelänge es dem Buchhandel auch immer wieder, überregionale Bestseller zu generieren. Anders im Sachbuch. "Da ist die Unterstützung überregionaler Medien, wie Auftritte bei Beckmann oder Kerner, unabdingbar.

Viele Buchhändler beklagen sich, dass die Verlage sich auf die großen Bestseller fokussieren und der Vermarktungsdruck zunimmt. Weder für Dausien noch für Wörner ist dies jdoch ein Problem, "weil wir unser eigenes Profil haben".