Frankfurter Buchmesse 2011

Risiken und Nebenwirkungen im Rechtehandel

11. Oktober 2011
von Börsenblatt
Den Fokus auf Wachstumsmärkte zu lenken, Erfahrungen auszutauschen und Rechtemanager miteinander ins Geschäft zu bringen, hat beim International Rights Directors Meeting (RDM) eine lange Tradition. Diesmal standen im Fokus: Apps, Enhanced E-Books – und Brasilien.

Der Buchmarkt in Brasilien wächst seit Jahren – und der Rechtehandel wächst mit. Immerhin 20 Prozent der in Brasilien verkauften Bücher sind mittlerweile Übersetzungen aus anderen Sprachen. Wo das Land in Sachen Buch und E-Book momentan steht, und wie der Markt tickt, erfuhren die rund 260 RDM-Teilnehmer heute aus ersten Hand: von Eduardo Blücher (Editora Blucher), Lucia Riff (Agência Riff) und Tomas da Veiga Pereira (Editora Sextante).

Marktreport: Brasilien 

Brasilien wird sich 2013 als Gastland der Frankfurter Buchmesse präsentieren, zum zweiten Mal nach 1994. Dass sich da mancher die Augen reiben wird, ist längst klar: Denn der Markt hat seit den 90er Jahren einen enormen Sprung nach vorn gemacht. Fakten, die die drei Referenten mitbrachten:

  • Immer mehr Menschen verfügten über immer mehr Geld – investierten in Bildung und Bücher. Insgesamt leben in Brasilien derzeit 196 Millionen Menschen (1990: 150 Millionen). Am schnellsten wächst das Segment Kinder- und Jugendbuch.
  • Es gibt keine Buchpreisbindung; Mehrwertsteuer fällt nicht an. 
  • 2010 wurden in Brasilien knapp 55.000 Titel veröffentlicht (Erst- und Nachauflagen), 438 Millionen Exemplare verkauft – und 2,6 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Monat für Monat kommen rund 3.000 Neuerscheinungen auf den Markt.
  • Wichtigster Abnehmer, vor allem für Kinder- und Jugendbücher, ist jedoch der Staat. Der Buchhandel erreicht einen Gesamtumsatz von rund 1,2 Milliarden US-Dollar; das Internet spielt als Verkaufskanal bislang lediglich eine Nebenrolle (Amazon liefert zwar aus den USA nach Brasilien, hat am Amazonas bislang allerdings noch keine Niederlassung.)   
  • Saraiva, die größte Buchkette, kommt auf rund 100 Filialen und auf einen Marktanteil von geschätzten 30 Prozent. Filialisten werden Rabatte zwischen 50 und 55 Prozent eingeräumt, kleine Händler erhalten von Verlagen 40 bis 50 Prozent.
  • Die Umsätze mit E-Books sind derzeit noch kaum der Rede wert. Verkauft werden sie vor allem von den beiden Ketten Saraiva und Livraria Cultura (seit 2010) – der Marktanteil liegt noch unter einem Prozent. Um das Geschäft in Gang zu bringen, haben sich 2011 sechs der größten brasilianischen Verlage zusammengetan und ein gemeinsames Unternehmen gegründet: Distribuidora de Livros Digitais (DLD). Als Distributor will DLD alle Shops beliefern (beteiligte Verlage: Objetiva, Record, Sextante, Arqueiro, Rocco, Planeta, L&PM).


All die schönen Dinge: Apps & Co.

Im zweiten Teil ging es beim International Rights Director Meeting um Apps und Enhanced E-Books – und zwar aus sehr unterschiedlichen Perspektiven. Die Stimmung während der Vorträge schwankte zwischen Euphorie und Ernüchterung.

  • Den euphorischen Part übernahm Leslie Hulse von HarperCollins (Verlagstochter der News Corporation in den USA und Großbritannien). Man habe beste Erfahrungen mit Apps und Enhanced E-Books gemacht, sagte sie – fokussiere sich aber jetzt zunehmend auf Enhanced E-Books. Hauptgrund: Nutzer zahlen für multimediale Bücher deutlich mehr als für Apps. Fürs Marketing werden die kleinen, mobilen Programme Hulse zufolge jedoch zunehmend wichtiger, als interaktives Ad-on zur Autoren-Website....  
  • „Back to the reality“ – mit diesen Worten löste Marcella Berger, Rechte-Chefin bei Simon & Schuster in den USA, auf dem Podium ab. Auch Simon & Schuster mache gute Erfahrungen mit Apps und Enhancend E-Books  (u.a. mit „The Bro Code“, dem Weltbestseller von Barney Stinson und Matt Kuhn), erzählte Berger; aber letztlich sei der Markt noch recht überschaubar und außerdem bräuchte man auch die Rechte dafür, „all diesen schönen Dinge umzusetzen“. Wer das Recht vom Autor habe, ein E-Book zu machen, könne nicht zugleich auch eine App machen. „Das sind zwei völlig verschiedene Sachen“, betonte sie; Rechte und Honorare müssten extra verhandelt werden.
  • Millionen und Abermillionen App-Nutzer wie in den USA? Davon können Verlage in Dänemark  nur träumen. Hier liegen die Risiken ungleich höher. Lasse Korsemann Horne, Verleger von Lindhardt og Ringhof, hat sich – nach ersten Alleingängen – deshalb dazu entschlossen, Apps künftig direkt an Entwickler zu lizensieren. Seine zweite Strategie: Er sucht verstärkt nach Partnern, will Apps kofinanzieren. Mit Oetinger (und einer App über die „Olchis“) sei das bereits gelungen.