Gastbeitrag zum neuen Regalservice von Libri

„Eine oberflächliche Auswahl schafft keine Rentabilität“

10. Januar 2013
von Börsenblatt
Sortimentsberaterin Gaby Marx beschäftigt sich seit Jahren mit der Frage, auf welche Faktoren Buchhändler beim Einkauf achten sollten. Den neuen Regalservice von Libri zu nutzen, hält sie nur bedingt für clever. "Wer als Unternehmer seine Kernkompetenz abgeben muss, weil er dafür keine Zeit hat, sollte überlegen, ob er noch die richtigen Dinge tut", meint sie. Was aus ihrer Sicht derzeit notwendig ist und wie es besser ginge.
Der Buchhändler soll Teile seines Lagerbezugs vom Verlag aufs Barsortiment verlagern und das auf sehr rationelle Weise. Die aufwändige Lagerpflege übernimmt der Dienstleister, so dass sich der Buchhändler auf die für ihn rentablen Warengruppen konzentrieren kann.

Was gut klingt und vor allem dem Hause Libri mit dem bestehenden Kundenstamm mehr zusätzlichen Umsatz bringen soll, begann vor Jahren mit Regalmanager und Warengruppenpaketen. Ursprünglich ein sinnvoller Ansatz zur Rationalisierung des Warenbezugs, ist dies heute nicht mehr zeitgemäß. Es reicht längst nicht mehr aus, sich als Sortimenter Gedanken über den Bezugsweg zu machen und einen höheren Anteil beim Barsortiment zu beziehen, egal über welches System.

Weder ANABEL noch Libri.Sortimente ist die Lösung - so lange die Warengruppen noch den gleichen Platz und den gleichen Umfang im Laden haben wie vor zehn Jahren. Die bestehende Sortimentsstruktur muss auf ihre Existenzberechtigung und ihren Inhalt überprüft und überarbeitet werden - und zwar vom kompetenten Buchhändler selbst.

Wenn alle Warengruppen gleichermaßen oberflächlich gepflegt werden

Libri zielt mit seinem neuen "Service" auf die Warengruppen, die sich überwiegend in den Rückwänden befinden und von den Zielkäufern lebten. Diese Zielkäufer bedienen sich heute aber überwiegend online, was dazu führt, dass Warengruppen wie Gesundheit oder Psychologie kaum rentabel zu führen sind, zumindest dann nicht, wenn alle Warengruppen gleichermaßen oberflächlich gepflegt werden. Es spielt keine Rolle, ob der Buchhändler dies selbst tut oder seinem Dienstleister überlässt. Er zeigt damit sehr gleichmäßig in allen Themen Schwächen - statt in einem Teilbereich Stärken zu zeigen.

Hinzu kommt, dass die Sortimentsgestaltung mehr denn je die Kernkompetenz des Buchhändlers im Wettbewerb ist. Denn Service wird ohnedies vorausgesetzt. Wer als Unternehmer aber seine Kernkompetenz abgeben muss, weil er dafür keine Zeit hat, sollte überlegen, ob er noch die richtigen Dinge tut.

Automatischer Nachbezug funktioniert in den genannten Sachbuch-/ Ratgeberthemen vielleicht auf Großflächen und in Großstädten, aber nicht bei sinkender Einzelhandelsfrequenz der Kleinstädte.

Selbst bei gut verkäuflichen Titeln der Belletristik sind die Vorschläge der Warenwirtschaft mehr denn je zu hinterfragen und daraufhin zu prüfen, ob nicht die dafür zur Verfügung stehenden Kunden bereits erreicht wurden. Dann ist eine Alternative/ Variante besser, weil man damit wiederum diejenigen erreicht, die den vorigen Titel kauften, meist sind dies die Stammkunden. Hier ist nicht ein System WWS gefragt, sondern die inhaltliche buchhändlerische Kompetenz.

Individualität: Das breite und überall verfügbare Angebot von Bestsellern im Stapel führt zumindest jenseits der Großflächen dazu, dass die Kunden verstärkt bei wirkungsvoll präsentierten Einzeltiteln zugreifen. Teilweise werden auf diese Weise eigene Bestseller gemacht.

"Warendruck erzeugt Verkaufsdruck"- auch diese lange Jahre geltende Maxime funktioniert wie vieles andere nicht mehr. Kunden interessieren sich vor allem für Themen. Diese finden sich sowohl auf den Bestsellerlisten als auch im Programm kleiner Verlage.

Leider konzentrieren sich bisher nicht nur Filialisten aus Gründen der rationellen Beschaffung auf große Verlage. Das Sortimentsprofil gewinnt aber vor allem über das „add on“ der Kleinen, wenngleich damit in der Regel keine hohen Lagerumschlagswerte zu erreichen sind. Sie machen das Angebot aber spannend. Ob Libri dies kann und will, wird sicherlich nicht zuletzt eine Frage der Konditionen sein, die der Verlag dem Barsortiment bietet und den personellen Aufwand, den man damit betreiben will. Die Arbeit mit großen Verlagen dürfte für Libri weitaus rentabler zu gestalten sein.

Warengruppenpakete eigneten sich in der Vergangenheit sehr begrenzt zum Einstieg in ein neues Standardthema, aber nicht zum Aufbau von Kompetenz. Dafür wird die Auswahl durch einen Dienstleister immer schmalspurig sein (müssen), um die Rentabilität zu garantieren, denn auch ein Barsortiment als Dienstleister wird sich an seinem Erfolg messen lassen müssen. Themen, von denen man als Buchhändler nichts versteht, sollte man daher besser in Frage stellen und gegebenenfalls aufgeben - anstatt hierin zu dilettieren.

Also: Stärken (und zwar die eigenen) aufbauen und stärken - und Profil zeigen, statt Regelmanagement durch einen Dienstleister.