Gastspiel

Langweiler in Cordhose?

12. Juli 2012
von Börsenblatt

Die Fachbuchhändler haben ein breites Leistungsspektrum – Print wie Online. Doch in den Köpfen der Kunden kommt das kaum an, sagt der Geschäftsführer von Lehmanns Media, Detlef Büttner.

Hinter einer Glasscheibe, die nur in eine Richtung Durchsicht erlaubt, und über Mikrofon zugeschaltet, habe ich eine Diskussionsrunde über den Fachbuchhandel verfolgt. Wie im "Tatort". Typische Fachinformationsnutzer wurden befragt, wie sie den Fachbuchhandel nutzen und welches Bild sie von ihm haben. Das wahrgenommene Dienstleistungsspektrum entsprach ungefähr dem meiner Ausbildungszeit in den 80er Jahren: Abgesehen vom spezialisierten Sortiment können wir in den Augen der Endkunden kein -eigenständiges Profil entwickeln. Unsere Wahrnehmung ist immer noch stark mit Ladenlokalen und Büchern verbunden, weitergehende Angebote und Services sind nahezu unbekannt. Gefragt, wie der Fachbuchhandel als Person aussähe, ergab sich folgendes Profil: ein Mann, ca. 50 Jahre, graue Cordhose, kariertes Hemd, nicht schick oder modisch. Ein "Lehrer-Typ" mit konservativen Eigenschaften, wenig modern oder innovativ.

Das sind also wir. Was ist mit den vielen Dienstleistungen, die wir in den letzten Jahrzehnten entwickelt haben, den elektronischen Produkten? Warum visualisieren Fachinformationsnutzer nicht unsere Internet-Seiten und Kundenportale, denken an E-Books, E-Journals und Datenbanken? Warum verbinden sie uns immer noch mit Print, obwohl wir Online doch schon lange können? Weiter gefragt: Können wir das Endkundengeschäft im Fachbuchhandel vor diesem Hintergrund überhaupt profitabel betreiben? Warum konzentrieren wir uns nicht einfach auf das B2B-Geschäft – da kommen unsere Services offensichtlich an? Hier haben wir und andere Händler eine starke Position in den Köpfen der Kunden erkämpft – allerdings, auch das muss gesagt werden, können nur noch wenige im Wettbewerb mithalten.

Ich denke, dass sich das Endkunden-Bild nur dann nachhaltig verändern wird, wenn wir uns vollständig der Online-Welt öffnen. Die Mauer zwischen Laden und Website, zwischen Print und Digital einreißen und uns den Kunden zuwenden. Die interessiert es nicht, ob wir uns mit dem Wandel schwertun, sondern sie wenden sich dem zu, der ihnen situativ das beste Angebot macht. Das Printgeschäft ist damit nicht außen vor oder gar tot. Im Gegenteil. Es bietet aber nur noch wenig Innovations- oder gar "Bildveränderungspotenzial".

Wir haben nach wie vor die Chance, unsere hohe Kompetenz, die uns die Kunden im Printgeschäft zugestehen, in die Online-Welt auszudehnen. Auch das zeigen die Interviews. Wir haben uns bei Lehmanns mit großem Elan auf das Thema E-Books für Endkunden gestürzt. Mut haben uns die großen Erfolge aus dem B2B-Geschäft gemacht, das wir bereits seit 2006 mit stetig wachsenden Umsätzen betreiben. Wir haben eine neue E-Book-Datenbank aufgebaut, rechnen direkt mit den Kunden ab und stehen für Fragen selbst zur Verfügung. In allen Läden bieten wir E-Reader an, haben E-Book-Multiplikatoren ausgebildet. Die Mitarbeiter führen Veranstaltungen zum digitalen Lesen durch.

Dies alles hat nicht zu riesigen Umsätzen geführt, dazu ist der Endkunden-Markt im Allgemeinen und der für das Fachbuch im Besonderen noch zu klein. Aber wir sammeln Erfahrungen und haben eine klare Botschaft an unsere Kunden: Für E-Medien brauchst du nicht den Lieferanten oder den Vertriebskanal zu wechseln. Mit diesem Fokus und der notwendigen Energie und Leidenschaft sollte es uns gelingen, das Bild des Fachbuchhandels mit der Zeit zu verändern. Vielleicht sind wir dann ja weiblich, um die 30 und wahnsinnig aufregend.