Gastspiel

Das Prinzip Verlag

25. Oktober 2012
von Börsenblatt
Der eine schreibt etwas, der andere nimmt Geld in die Hand, um es zu vermarkten: Warum Autoren Verlage brauchen. Von Zoe Beck.
Mir gefällt Paragraf 1 des deutschen Verlagsgesetzes: "Durch den Verlagsvertrag über ein Werk der Literatur (…) wird der Verfasser verpflichtet, dem Verleger das Werk zur Vervielfältigung und Verbreitung für eigene Rechnung zu überlassen. Der Verleger ist verpflichtet, das Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten." Was nichts anderes bedeutet als: Einer schreibt etwas, und der andere nimmt Geld in die Hand, um das Geschriebene zu vermarkten. Das leuchtet mir ein, und ich weiß auch nicht, was an diesem System falsch sein soll.

Trotzdem wird man dauernd gefragt: Wozu hast du noch einen Verlag? Da gibt es Autorinnen, heißt es, die furchtbar reich werden, weil sie sich selbst verlegen. Und Autoren, ganz unbenommen, die nie auf einen grünen Zweig kommen, obwohl sie einen Verlagsvertrag haben. Die Anschlussfrage lautet: Würdest du ohne Verlag nicht sehr viel mehr Geld verdienen?

Nein, das würde ich nicht. Mein Verlag zahlt für jedes meiner Bücher einen Garantievorschuss, der es mir ermöglicht, das jeweilige Buch überhaupt zu schreiben. An dieser Stelle wirft man mir gern vor, ich würde nur für Geld schreiben, aber warum? Ich werfe anderen Berufstätigen auch nicht vor, dass sie mit ihrer Arbeit Geld verdienen. Schreiben ist mein Beruf. Ich lebe davon.

Der Verlag geht in Vorleistung und erweist mir ein nicht unerhebliches Vertrauen. Er glaubt nämlich, dass ich in der Lage bin, mehr als nur formatiertes Papier abzugeben. Umgekehrt ist es aber auch eine Vertrauensfrage, und das wird gern in der Diskussion vergessen: Ich übergebe meine Arbeit einem Team, das sich um "Vervielfältigung" und "Verbreitung" kümmern soll. Wird dieses Team das richtige Marketing machen? Und Pressearbeit? Und davor: Bekomme ich ein gutes Lektorat?

Auf dem Weg zur Veröffentlichung kann vieles Unmut bereiten. Wird es besser, wenn ich mich alleine darum kümmere? Ich denke nicht. Hätte ich ein Buch, das ich selbst herausbringen möchte, würde ich jemand suchen, der es lektoriert. Und am allerwichtigsten: jemand, der mir sagt, wie ich es vermarkte. Cover, Titel, Werbetexte. Vertrieb, Marketing, PR. Die Ausgaben, die ich dadurch hätte, wären erheblich. Denn selbst verlegen heißt, dass ich Verlegerin bin, die "für eigene Rechnung" all das tun muss.

Ich könnte alternativ auch darauf verzichten, ein Team zu bilden, und einzig meine Arbeitskraft als multitalentierter Mensch einsetzen. Spart Geld, aber keine Zeit, wodurch ich weniger Zeit für anderes habe, wie zum Beispiel Geldverdienen. Und spätestens hier beißt sich die Katze in den Schwanz.

Texte professionell zu veröffentlichen kostet Geld. Ein Publikumsverlag stellt dieses Geld zur Verfügung. Dass ich möglicherweise andere Entscheidungen treffen würde, ist eine andere Sache. Dass sich Verlage verändern müssen, weil sich der Markt verändert, die nächste. Aber es ändert sich nichts daran, dass ich ein Expertenteam brauche, um das bestmögliche Produkt aus meinem Text zu machen und ein breites Publikum zu erreichen. Ob sich dieses Expertenteam Agentur nennt oder aus Freiberuflern besteht oder in einem Verlag arbeitet – das Prinzip bleibt gleich. Ich will und ich muss im Team arbeiten. Sich gegenseitig ernst zu nehmen hilft da ebenso wie die Anerkennung vor der jeweiligen Arbeit.

Also ja, ich finde das Prinzip Verlag gut. Keineswegs rückwärtsgewandt und schon gar nicht zukunftsuntauglich. Die Wiederbelebung des Verlags als Ideenschmiede ist es, was wir brauchen. Dies jedoch nicht nur auf Lektorats-, sondern auch auf der Marketingebene. Das Verlagsgesetz regelt in Paragraf 1 das Grundsätzliche, seit 100 Jahren. Es ist immer noch gut so.