Gastspiel von Jochen Jung

Messe, einfach so

27. Februar 2015
von Börsenblatt
Der Verleger Jochen Jung hatte schon zweimal den Stress, dass eine seiner Autorinnen den Deutschen Buchpreis gewann. Diesmal konnte er das Urteil der Jury am Montag Abend entspannt abwarten. Lesen Sie im Folgenden den inneren Monolog von Jochen Jung auf dem Weg in den Römer.

Buchpreis gewinnen, ist schön. Aber zum Glück gibt es Long- und Shortlist, die ja erfunden sind, damit man weiß, ob man zittern muss oder nicht. Ich zum Beispiel kann diesmal ganz entspannt in den Römer gehen und auf dem Weg dahin mich prüfen, wem ich ihn geben oder wem ich ihn gönnen würde.

Vor allem natürlich Suhrkamp, die brauchen das und verdient hatten sie es ja schon die letzten Male. Kam halt immer was dazwischen. Suhrkamp ist ja sozusagen das Konstantinopel der deutschsprachigen Literatur, nach wie vor. Was hab ich mich in Sachen Bernhard über Unseld ärgern müssen, aber Frau Unseld − auch kein Lercherl, wie die Österreicher sagen − würde mich freuen, Marion Poschmann war, wenn ich mich recht erinnere, eine Joachim-Unseld-Autorin, da käme einiges zusammen, zufällig? Und wenn nicht Poschmann, dann Mora. Frauen sind jedenfalls die strahlenderen Sieger.

Im Übrigen gibt es ja nicht nur den Deutschen Buchpreis, es gibt auch die Hotlist der Unabhängigen, und da sind wir mit Saskia Hennig von Lange im Rennen, eine tolle Autorin, die auch sehr schön strahlen kann. Ganz ohne Zittern geht es also doch nicht, auch diesmal nicht.

Aber Messe ist ja auch ohne Zittern schön: überall Bücher, überall Büchermenschen, und alle analog. So wie der Wein, der einem, und nicht nur donnerstags ab fünf, aus allen Kabinen von gütigen Menschen angeboten wird, die wissen, was man zusätzlich zur Textverkostung braucht. Auf einmal ist die Buchmesse auch Weinmesse. Mal sehen, was die Textsommeliers uns diesmal empfehlen. Wir lassen uns ja gern was sagen. Denn wer selbst produziert, übersieht oft, was es sonst noch gibt. Vielleicht schaff ich es dieses Jahr ja auch zur Ausstellung des Gastlandes − habe es mir noch jedes Mal vorgenommen und fast immer verpasst. Aber Brasilien − I was not yet … Immer wieder deprimierend, was man alles nicht kennt − aber dafür gibt es ja Bücher, die zeigen uns die Welt, die in uns und die neben uns.

Da gibt es viel zum Staunen. Buchmesse, das ist für unsereinen im Kalender ja so etwas wie Weihnachten und Hochzeitstag zusammen. Was ich damit jetzt meine? Überall Gabentische mit Bescherung und die Erinnerung an all das, was man sich mal vorgenommen hatte. In jedem Fall Erfolg. Und Erfolg ist ja nicht nur Buchpreis gewinnen, sondern auch, dass man überhaupt noch dabei ist, oder? Ist schließlich keine Selbstverständlichkeit.

Aber wer liest, altert ja nicht! Im Ernst. Ob die jungen Sammler die Vorschauen und sonstigen Drucksorten, die sie letztes Mal in ihre Gratis-Taschen geschoben haben, inzwischen auch gelesen haben? Aber man soll nicht zu viel verlangen, bei mir liegen ja auch noch Bücher von der vorvorigen Messe ungelesen im Stapel. Selbst "Der Turm" hab ich immer noch nicht gelesen. "Krieg und Frieden" allerdings auch nicht. So viele weiße Flecken auf der Weltkarte der Literatur. Und nächstes Jahr Finnland … Auch da gibt es viele weiße Flecken und nicht alles ist Schnee.
Und nächstes Jahr sind wir dann auch wieder beim Buchpreis dabei. Ist doch schön, wenn es was zum Zittern gibt.