Georg Frericks, Theologe und Managementberater übers Klugwerden

Wie klug sind christliche Buchhandlungen und Verlage?

15. Juli 2015
von Börsenblatt
Seit Tagen schwitzen Hunderttausende in Stuttgart für ihren Glauben – als Gäste des Kirchentags der Evangelischen Kirche in Deutschland. Auch viel Prominenz ist gekommen. Ihre gemeinsame Losung lautet: „Damit wir klug werden“. Georg Frericks, Theologe und Managementberater, übers Klugwerden in der Buchbranche, Stoßseufzer und mangelndes Marketing.

Kirchentage sind zweifelsohne eine tolle Sache. Beeindruckende Glaubensfeste, die auch politische Signale zu senden verstehen und den Anspruch dokumentieren, dass der christliche Glaube nicht nur den einzelnen, sondern auch die Gesellschaft und Welt zu ändern vermag. Nicht zuletzt das Aufgebot an Prominenz, die durchaus auch aus eigener christlicher Überzeugung sich auf Kirchentagen ein Stelldichein gibt, garantiert eine breite öffentliche Wahrnehmung, was gut so und überaus berechtigt ist.

Fester Bestandteil eines Kirchentages ist dessen Buchhandlung, die je nach Lage auf dem Veranstaltungsort den Betreibern in der Regel tolle Umsätze beschert. Doch woran mag es liegen, dass außerhalb der Kirchentagsbuchhandlung und der unmittelbaren Kirchentagslaufwege in Stuttgart trotz aller öffentlichen Berichterstattung keine großartige Steigerung in der Nachfrage nach religiösen Büchern festzustellen sein dürfte? (Zum Glück ist die „Sonntagsfrage“ ein dialogisches Format und ich freue mich – um des religiösen Buches willen – auf Kommentare aller, die andere Erfahrungen machen durften.)

Hohe Besucherzahlen und euphorisch sommerliche Feierstimmung in Stuttgart kontrastieren die sonntagmorgendliche Realität in den Gemeinden. An eine Renaissance christlichen Lebens in Deutschland glauben wahrscheinlich schon die meisten Kirchenoberen nicht mehr.

Und was heißt das für die religiöse Sortimenter und christliche Verlage? (Bitte verzeihen Sie, wenn ich anlässlich eines evangelischen Kirchtags von „christlich“ rede, aber in der Bestandsaufnahme geben sich die beiden Großkirchen und der ihnen zuzuzählenden Buchhandel m.E. nicht viel.) Das Grunddilemma scheint zu sein: Man hat sich dem Dienst an der Großkirche verschrieben und ist jetzt gefangen in ihrer aktuellen „Situation“ („Krise“ hören sie nicht so gerne, obwohl das vom Wortsinn her etwas mit Entscheidung und Wendepunkt zu tun hätte…)

Man konzentriert sich im Programm auf wenige große Namen, die sich dann auch oft besser als die meisten anderen Bücher verkaufen. Der Stoßseufzer „muss es immer Margot K. sein“ wird von den Käufern scheinbar beharrlich ignoriert. Sell what sells – das ist ja schön und gut, aber müssten Verlage nicht mehr für den alternativen Programmaufbau tun?

Ich weiß, dass es Ausnahmen gibt. Aber in wie vielen Verlagshäusern sitzen die Verantwortlichen so lange zusammen, bis sie das Erfolgsgeheimnis der Konkurrenz entschlüsselt und für sich operationalisiert haben? Zudem treten deutliche Defizite im Marketing, insbesondere Onlinemarketing, deutlich zu Tage. Unverzeihlich. Auch sei der Gang in einen handelsüblichen Zeitschriftenkiosk empfohlen: Wo und vor allem wie werden dort die ureigensten Themen den Leserinnen und Leser, letztlich der potenziell eigenen Zielgruppe, dargeboten? (Spiritualität boomt dort im Kielwasser von Happinez & Co.) 

„Damit wir klug werden“ wäre durchaus auch ein schönes Arbeitsmotto für die Verbände VEB (Vereinigung Evangelischer Buchhändler und Verleger), EMVD (Evangelischer Medienverband in Deutschland) oder KM (Katholischer Medienverband). Aber vor allem für die einzelnen Unternehmen.


Georg Frericks ist Diplom-Theologe und arbeitet als Unternehmensberater bei MDG Medien-Dienstleistung München.