Gespräch mit Peter Kraus vom Cleff und Björn Warmer

Reinbeks Pragmatismus in der Flüchtlingsfrage

15. Januar 2016
von Börsenblatt
Reinbek öffnet das Rathaus für Flüchtlinge, Rowohlt spendet Verkaufserlöse: Cool bleiben. Und offen sein für„andere Normalitäten“ - das ist das Fazit einer gestrigen Diskussion in der Buchhandlung Hoffmann in Achim mit Peter Kraus vom Cleff, kaufmännischer Geschäftsführer beim Reinbeker Rowohlt Verlag, und Reinbeks Bürgermeister Björn Warmer.

Peter Kraus vom Cleff, kaufmännischer Geschäftsführer bei Rowohlt, und Björn Warmer, Bürgermeister der Stadt Reinbek, waren aus der schleswig-holsteinischen in die niedersächsische Provinz gereist, um mit Buchhändler Veit Hoffmann zum Thema „Und das ist erst der Anfang. Flüchtlinge in Deutschland" zu diskutieren. Achim bei Bremen und Reinbek bei Hamburg haben strukturell einiges gemeinsam: niedrige Verschuldung, nicht ganz 30 000 Einwohner, die Nähe zur Großstadt. Beim Flüchtlingsthema stehen beide Städte vor ähnlichen Herausforderungen.

„Bei Euch hier südlich der Elbe ist es klimatisch nicht so schlimm wie bei uns da oben – aber niemand kommt aus Abenteuerlust in einem Schlauchboot übers Mittelmeer, um in Reinbek zu bleiben", ging Kraus vom Cleff ein schweres Thema leicht an. Es ging an diesem Abend nicht um die großen politischen oder ethischen Themen und auch kaum um Bücher, sondern um praktische Lösungen vor Ort. Dabei ging es drinnen wie draußen zeitweilig (schnee-)stürmisch zu. Die Achimer, darunter auch Bürgermeister Rainer Ditzfeld, hatten jede Menge Diskussionsbedarf zur Verteilung, Versorgung, Unterbringung und Beschäftigung der Flüchtlinge. Achim fragte also und das Reinbeker Nähkästchen blieb den Abend über weit geöffnet. Warmer, überregional als „Reinbeks pragmatischer Bürgermeister" bekannt, seit er Flüchtlingen kurzerhand den Fraktionssaal des Rathauses als Zuhause zur Verfügung stellte, ist berührt vom Engagement seiner Mitarbeiter und vieler Ehrenamtlicher in seiner Stadt.

„Bei uns in Reinbek ist natürlich auch nicht Bullerbü", versuchte Kraus vom Cleff den gemeinsamen Erfahrungsbericht zu relativieren, wusste aber auch von seinen eigenen Mitarbeitern und Mit-Reinbekern viel Positives zu erzählen. Der Rowohlt Verlag selbst hat im Dezember das Buch „Und das ist erst der Anfang", herausgegeben von Anja Reschke, herausgebracht. „Wir wollen mit diesem Buch ein Statement setzen. Das Thema Flüchtlingskrise soll nicht nur auf Sozialplattformen stattfinden, sondern wir wollen einem bunten Strauß von qualifizierten Autoren ein Forum geben", so Kraus vom Cleff. Ein Euro des Erlöses pro Buch geht an die Flüchtlingshilfe in Reinbek, 20.000 Exemplare wurden bisher verkauft, damit lässt sich schon mal einiges anfangen.

Was die Reinbeker sich für 2016 wünschen, lautete die letzte Frage. Da war es erst einmal still. „Ich würde gern diese Energie des letzten Jahres mitnehmen. Meine Güte, was haben wir gelernt!", antwortet Warmer. Da stimmen auch Achimer im Publikum zu.