Gesundheit / Medizin

Hauchdünn im Minus

12. Mai 2010
von Börsenblatt
Internet hin oder her: Der Markt für Gesundheitsbücher hält sich 2010 stabil. Die Warengruppe bewegt sich laut Media Control GfK International zwar weiterhin im Minus, zu dem prognostizierten Umsatzeinbruch kam es bisher aber nicht.

Nach Angaben der Marktforscher lagen die Einnahmen im ersten Quartal des Jahres 0,5 Prozent unter denen des Vergleichszeitraums vom Vorjahr (2009 gesamt: minus 1,0 Prozent gegenüber 2008; Vertriebswege: Sortimentsbuchhandel, E-Commerce, Warenhaus).

Was sie sonst noch festgestellt haben:

  • Auf Gesundheitstitel entfielen von Januar bis März 2010 rund 19,5 Prozent der Umsätze innerhalb des Segments Ratgeber.  
  • Die größten Themenbereiche innerhalb der Warengruppe Gesundheit waren Ernährung (Umsatzanteil: 25,6 Prozent), Alternative Heilverfahren (17,0 Prozent) sowie Entspannung, Yoga, Meditation, Autogenes Training (16,5 Prozent).
  • In Sachen Umsatzentwicklung sieht das Ranking anders aus: Hier haben Alternative Heilverfahren ganz klar die Nase vorn. Bücher aus diesem Segment lagen 10,1 Prozent im Plus. Nach oben ging es außerdem für das Segment "Sonstiges" (plus 3,8 Prozent) und, wenn auch nur leicht, für "Ernährung" (plus 0,3 Prozent).   

 

Von Trends und Irrtümern   

Auf die Alternativmedizin war immer Verlass. Trend folgte stets auf Trend – und Bestseller auf Bestseller. Nun kehrt bei manchen Verlagen Ernüchterung ein. Grund zum Feiern haben in dieser Hinsicht jedenfalls nur wenige. Es mangele an Impulsen, die den Markt wieder in die Pluszone führen würden, sagen viele; obendrein blieben die Perspektiven unsicher.

Könnte es da nicht lohnen, neuen Trends nachzuspüren – damit die Quellen wieder sprudeln? So wie es – zum Beispiel – bei den Themen Apfelessig, Bachblütentherapie, Schüssler-Salze, Wellness funktionierte? Ulrich Ehrenspiel, Programmleiter des Segments Körper & Seele bei Gräfe und Unzer (GU) winkt ab, spricht sogar von einer Trendarmut. Alle Verlage würden gleichermaßen darunter leiden, meint er, "GU glücklicherweise noch am wenigsten".

Völlig kalt lässt ihn das alles aber nicht. Die einzige Alternative, aus seiner Sicht: "Wenn man keine neuen Säue durch die Gassen treiben kann, bleiben einem zunächst ‘nur‘ so solide Werte wie bestechende Qualität in Produkt und Vertrieb als Nachfragebringer." GU handelt bereits danach; 2009 hat der Verlag bekanntermaßen einiges an Geld in die Hand genommen, um den Absatz mit einem veränderten Marketingkonzept und neuen Auslieferungsrhythmen auf Touren zu halten.

Einen Trendradar aufzustellen und schnell zu reagieren, wenn ein Signal nur hell genug aufflackerte: Damit sind Verlage über Jahre gut gefahren; die Alternativmedizin schien als klare und bequeme Trendquelle unerschöpflich – laut Ehrenspiel ein folgenreicher Irrtum. Und obendrein einer, vor dem Verlage offenbar lange die Augen verschlossen haben.

Die Ansprüche der Buchkäufer steigen

Sybille Duelli, Programmplanerin bei Trias (Medizinverlage Stuttgart / Thieme-Gruppe), sieht die Trendstrategie der Verlage durchaus als Teil des Problems. Mit einem "Meer des Gleichen" hätten viele den Markt geflutet, sagt sie; "manche Themen sind regelrecht totgespielt worden". Buchkäufer würden sich von solchen Megathemen in Buchform immer häufiger abwenden. Duelli: "Durch den Einfluss des Internets sind sie deutlich kritischer und vorsichtiger geworden."

Darauf die richtigen Antworten zu finden, sei die Chance dieser Tage; statt mehr vom Gleichen zu Markte zu tragen, müsse man "immer wieder schauen, womit sich ein Thema anreichern und neu transportieren" ließe. Bei harten Gesundheitsthemen wie Schlaganfall könnten Erfahrungsberichte eine solches Transportmittel sein (zum Beispiel Peer Augustinski: "Aus heiterem Himmel", 2010), bei eher weichen Themen gehe es um Fakten und Nutzwert – zugespitzt auf jeweils genau eine bestimmte Zielgruppe.

Hat sie ihren Trendradar nun eingemottet? "Natürlich nicht", betont Duelli. "Auch wir setzen auf Trends, aber auf dauerhafte." Derzeit schwärmt sie zum Beispiel von Spiraldynamik, einer Bewegungstherapie ("Das Thema bereiten wir für Herbst vor.").

Kritik an der Trendwelle kommt jedoch auch noch aus anderen Ecken, etwa von der Schlüterschen Verlagsgesellschaft. Katja-Maria Koschate, Leiterin des Programmbereichs Gesundheit und Ernährung, urteilt: Die Ansprüche der Käufer seien gestiegen – und Trendthemen würden dem "in vielen Fällen schon rein inhaltlich nicht gerecht, weil es ihnen an Substanz fehlt". Als Abgesang auf Trendthemen ist das allerdings nicht gemeint. "Mit unseren Schwerpunkten Ernährung und Patientenratgeber orientieren wir uns in erster Linie an den Bedürfnissen unserer Zielgruppe. Da spielen Krankheitsstatistiken und neue Therapiemöglichkeiten im Zweifelsfall eine größere Rolle als der Blick auf Trends."

Fazit: Von einer Themenflaute oder gar Trendkrise kann keine Rede sein, wie Insider nahelegen. Trendexpertin Isabell Krause (Marktrausch.com, "Health Trend Report"): "Derzeit passiert im Gesundheitsmarkt so viel wie noch nie" – angestoßen durch das Web 2.0 und mobile Internetdienste.

Auf eine Phase weniger großer Trends folgt jetzt offenbar eine, in der viele kleine nebeneinander wichtig werden. Mankau etwa fokussiert sich auf Schwingungsmedizin (Verleger Raphael Mankau: "Das Heilen mit dem kosmischen Ton boomt bei uns."), während der VAK-Verlag gerade mit dem Thema Quantenheilung Erfolge schreibt; Frank Kinslow platzierte sich im ersten Quartal gleich mit zwei Titeln in den Top 10.

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