Gourmet Gallery

Smarties und Stinkefisch

17. Oktober 2011
von Börsenblatt
Während Tre Torri im nahen Messerestaurant Rindersaftgulasch und Bandnudeln mit Wildschweinbolognese auf den Tisch brachte, wurde in der Gourmet Gallery die „Veganisierung der Gesellschaft“ ausgerufen. Ein Messe-Menü.

Durch die Halle 3.1 schallte diesmal ein besonderer Weckruf: „Veg up“ heißt ein Buch, das  Christian Vagedes geschrieben hat und das die Menschen endlich fleischlos glücklich machen soll. Dafür hat der Designer und Publizist 2010 die Vegane Gesellschaft Deutschland gegründet. Erschienen ist der Titel im jungen Sicht Verlag von Lars Thomsen, der in diesem Jahr zu den neuen Ausstellern auf der Buchmesse gehörte.

Dass die „Veganisierung der Gesellschaft“ zumindest im Kochbuch schon angekommen ist, zeigt ein Blick in die Verlagsprogramme. Zu den vielen aktuellen Titeln rund um die vegane und vegetarische Küche gesellt sich im nächsten Jahr eine ganze Reihe weiterer hinzu – etwa beim Verlag Gräfe und Unzer, der auch mit Vagedes im Gespräch ist.

Wer wollte, konnte am Sicht-Stand Säfte verkosten – und in der Showküche der Gourmet Gallery dem Vegetarischen Terzett zuhören, das unter anderem der Frage nachging, warum so mancher sich die Mühe macht, eine Spinne lebend nach draußen zu bugsieren. Um danach sorglos ein Steak in die Pfanne zu hauen.

Der Allesfresser Mensch steckt eben voller Widersprüche. Dazu gehört auch die Frage, warum wir unbedingt etwas probieren wollen – obwohl uns unsere Nase dringend davon abrät. So jedenfalls dürfte es den Besuchern gegangen sein, die sich am Messemittwoch in der Gourmet Gallery einfanden, um zwei isländischen Köchen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. Und ein Nationalgericht der Insulaner zu kosten: Den berüchtigten isländischen Eishai.

Der nierenfreie Fisch wird wochenlang in Kisten gelagert, um ihn zu entgiften und genießbar zu machen. Und so roch es dann auch in der Gourmet Gallery, als die beiden isländischen Küchenchefs mit spitzen Fingern das Päckchen Eishai auf dem Tresen öffneten. Die kleinen Hai-Häppchen fanden trotzdem reißenden Absatz. Um den Magen zu desinfizieren, wurde Schnaps dazu gereicht: Hochprozentigen „Brennivin“ – am hellichten Tag, genauer: um 11.30 Uhr. Das ist ein anderes Kaliber als das übliche Gläschen Sekt zur Happy Hour am Ende eines langen Messetages. Und wohl nur möglich, wenn Isländer zu Gast sind.

Auch Herdhelden wie Sarah Wiener und Steffen Henssler gaben sich in der Gourmet Gallery die Ehre, die sich im dritten Jahr als kulinarischer Hotspot etabliert hat. Henssler konnte beim Publikum nicht nur mit leckeren Kreationen, sondern auch mit praktischen Hausfrauentipps punkten: Ein nasses Handtuch unter das Schneidebrett legen – dann verrutscht nichts mehr beim Kleinschneiden. Und: „Sea Water“-Garnelen sind die einzigen, die wirklich schmecken.

Schmecken ließen es sich auch die vielen Besucher, die an allen Tagen die Showküche umlagerten und frisch gebrutzelte Köstlichkeiten probieren konnten. Wurde auf der Bühne ausnahmsweise mal nicht gekocht, sondern nur geredet, dann stillte ein Griff in die Dekoration den gröbsten Hunger: Liebevoll hergerichtete Tische sollten eigentlich nur Appetit auf Kochbücher machen. Die Glasdose voller Smarties, Farbtupfer in einem Ensemble rund ums Muffinbacken, löste sich allerdings schneller in Luft auf als die Duftwolke des isländischen Gammelhais.