Graf Verlag

"Unser Gott ist ein Kontrollfreak"

11. Februar 2011
von Börsenblatt
Rund 40 Sortimenter und Seckbach-Schüler sind gestern zum Buchhändlerabend des Graf Verlags ins Frankfurter Literaturhaus gekommen. Bei Fingerfood und Klezmermusik erlebten sie in der exklusiven Atmosphäre des Lesekabinetts die Premierenlesung von Lena Goreliks neuem Buch "Lieber Mischa".

Tanja Graf stellte ihren neuen Verlag vor, der aus der ehemaligen Kooperation SchirmerGraf hervorgegangen ist: "Wir wollen ein originelles und überschaubares Programm schaffen, das trotzdem eine hohe Präsenz am Markt hat." Dazu habe der Anschluss an die Berliner Ullstein Buchverlage die besten Voraussetzungen geschaffen.

Der Graf Verlag selbst verbleibe dennoch in München: "Das garantiert unsere redaktionelle Unabhängigkeit." Das Programm werde sich also nicht ändern und weiterhin eine subjektive Auswahl bieten – allerdings etwas weiter gefasst als bisher. "Unsere Bücher sollen den Horizont erweitern", so Graf. Neben Belletristik und Krimis sei auch Biografisches und Autobiografisches geplant.

Brief an den einjährigen Sohn

Nachdem der Verlag im Herbst 2010 mit fünf Titeln gestartet war, präsentierte Graf ihren Gästen jetzt das erste Frühjahrsprogramm. Eine ihrer Autorinnen hatte sie gleich mitgebracht: Lena Gorelik, die 2007 mit "Hochzeit in Jerusalem" für den Deutschen Buchpreis nominiert war, las aus ihrem neuen Buch "Lieber Mischa". Die russische Jüdin, gerade 30 geworden, kam 1992 mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie gehört zu einer jungen Generation von Juden, die sich nicht mehr allein als Nachfahren der Holocaust-Opfer definieren, sondern viel mehr in der Gegenwart leben.

"Lieber Mischa" ist kein Roman, sondern ein fiktiver Brief an Goreliks einjährigen Sohn, dem sie es nicht habe ersparen können, ein Jude zu sein. Für ihre Lesung hatte sie ein Kapitel über die Merkwürdigkeiten jüdischer Feste und Feiertagsessen ausgewählt: "Im Gebet bedanken wir uns für jede einzelne Zutat. Unser Gott ist eben ein kleiner Kontrollfreak." Das Buch, dessen Layout mit Kommentaren rechts und links auf jeder Seite dem Talmud nachempfunden ist, erscheint am 2. März.

Passend zum Thema untermalten Roman Kuperschmidt und Alik Texler vom Frankfurter Roman Kuperschmidt Ensemble den Abend mit jüdischer Instrumentalmusik an Klarinette und Akkordeon.

Wiederholung in Planung

Die geladenen Buchhändler waren begeistert: "Es ist schön, ein Verlagsprogramm einmal in solch angenehmer und entspannter Atmosphäre kennenzulernen – ganz anders als beim hastigen Vertretergespräch im Laden", sagte eine Sortimenterin. "Da bleiben die Titel gleich viel besser im Gedächtnis." Auch für die Seckbach-Schüler war der Abend eine willkommene Abwechslung vom Azubi-Alltag. "Toll, dass hier auch an den Nachwuchs gedacht wurde", lautete ein Kommentar.

Tanja Graf will ihre Buchhändlerabende in halbjährlichen Abständen an wechselnden Orten wiederholen: "Als nächstes denke ich an Stuttgart oder Hamburg", so die Verlagsleiterin.