Großes Fest zu Rafik Schamis Geburtstag

"Niemand hat sich sein Publikum so erlesen wie Du"

29. Juni 2016
von Börsenblatt
Ein rauschendes Fest auf dem Salvatorplatz: Fast 500 Gäste feierten gestern vorm Literaturhaus München den 70. Geburtstag des Schriftstellers Rafik Schami. Impressionen.

In seiner letzten Moderation als Leiter des Hauses erinnerte der 66-jährige Literaturwissenschaftler Reinhard G. Wittmann (im Juli übernimmt die frühere Verlegerin Tanja Graf seine Aufgaben) an die ersten Lesungen Schamis in München. Rasch sei schon damals klar gewesen, welches Potential in Schamis Sprache und Vortragskunst liegt.

Gestern Nacht bewies der große orientalische Erzähler erneut seine Fähigkeiten, die Zuschauer zu fesseln und zu begeistern - die Buchhändler, die bei Lesungen Schamis den Büchertisch organisieren, schätzen sich (einige waren anwesend) durchweg glücklich. Am gestrigen Abend hatte diesen Part die Buchhandlung Lentner übernommen. Die Leser, die sich die erworbenen Bücher signieren ließen, bildeten eine Schlange bis weit über den Platz hinaus in die Dunkelheit.

Rafik Schami, 1946 in Damaskus geboren und seit 1971 in Deutschland lebend, ist seit 2002 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Seine Bücher, millionenfach verkauft, wurden weltweit in zahlreiche Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Preis „Gegen das Vergessen – Für Demokratie“ (2011), dem „Großen Preis der Akademie für Kinder- und Jugendliteratur“ sowie dem „Preis der Stiftung Bibel und Kultur“ (2015). Seine beiden wichtigsten Verlage dtv und Hanser sind in München beheimatet.

Hanser-Verleger Jo Lendle erinnerte daran, dass zu Beginn der Karriere Fördergelder für Übersetzungen von Schamis Werken in andere Sprachen mit der Begründung verweigert wurden, Schami sei kein deutscher Autor, „kein Bio-Deutscher“, so Lendle. Doch die Blockade der Übersetzungen sollte bald fallen. „Wir haben keinen anderen Autor, der so unermüdlich reist“, sagte dtv-Verlegerin Claudia Baumhöver. „Du bist ein Erzählzauberer, ein Weltenschaffer und Wanderer: 2500 Lesungen! Niemand hat sich sein Publikum so erlesen wie Du.“

Folgerichtig bekam „der einzige legitime Nachfolger von Tolstoi im lässigen Tragen von weißen Leinenanzügen“ (Baumhöver) ein besonderes Kofferset von seinen Verlagen geschenkt.

Heinrich Riethmüller sprach als Vorsteher des Börsenvereins, als Freund und als Leser: „Ich gratuliere Dir als Vorsteher, weil Du beispielhaft für unseren Buchmarkt bist. Wir Buchhändler und Verleger werden extrem angegangen von digitalen Konzernen. Du bist der beste Beweis dafür, dass es eben nicht reicht, wenn es nur noch eine Plattform gibt, auf der einen Seite der Autor, auf der anderen der Leser.“ Riethmüller erinnerte  an die wohl Hunderte von Lesungen, die sie gemeinsam durchgeführt haben. „Ich kenne keinen anderen Autor, der seine Leserschaft so erfolgreich immer erweitert.“ Und er wies auch auf Schami als hochpolitischen Autor hin. Und mit Bezug auf Lendle sagte Riethmüller: „Du bist der beste Deutsche, den ich kenne, mit Deiner Pünktlichkeit und Deinem Organisationstalent.“

In seiner virtuos-ausufernden Dankesrede präzisierte Schami seinen Status als biodynamisch-deutschsprachiger Autor und bezauberte das Publikum mit einer Geschichte aus seiner Kindheit, als er verstand, wie wichtig die Erzählkunst ist. Wolfang Niess als alter Weggefährte und Moderator und Roman Bunka an der Oud sorgten zusätzlich für eine stimmungsvolle Geburtstagsfeier.