Im April 2017 brach ich mit einer Gruppe von Juristen, Verlegern, Unternehmern und Wissenschaftlern ins Silicon Valley auf. An der Stanford University im Herzen des Techniktals wollte ich mir im Rahmen einer Konferenz, die sich mit modernen Entwicklungen und technischen Lösungen im Bereich des Rechts beschäftigte, Anregungen für meine Arbeit holen, um mich auf mögliche zukünftige Entwicklungen einzustellen. Tatsächlich gewann ich wichtige Erkenntnisse – aber andere, als ich vor der Reise annahm.
Gedacht hatte ich an bahnbrechende Programmanwendungen, die unser technologieaffines Publikum ansprechen würden: Vertragsmanagement, automatische Analyse großer Vertragswerke, Anreicherung von Schriftsätzen mit eigener und fremder Verlagsliteratur.
Und obwohl all dies tatsächlich präsentiert wurde, rückte eine ganz andere Erfahrung in den Vordergrund, die mich zunächst schockierte. Ich erlebte einen Überfluss von frei kursierenden Fachinformationen, zu deren Bändigung und Ordnung jegliche technische Lösung willkommen geheißen wurde. Es schien auf den ersten Blick, als ermöglichten die präsentierten Programme, dass außerhalb traditioneller Informationsanbieter mit automatisch zusammengestellten Informationen auch komplizierte Sachverhalte und Fragestellungen zu bearbeiten seien. Ich ging über den gesamten Campus der Stanford University und erlebte an nahezu allen Fakultäten diese technologiegeprägte Vorgehensweise. Die Macht der Algorithmen, die Veröffentlichung wissenschaftlicher Erkenntnisse an Verlagen vorbei auf anerkannten Internet-Wissenschaftsplattformen, schien jegliche verlegerische Leistung überflüssig zu machen.
An der Stanford Law School erkannte ich jedoch, dass Algorithmen nicht vom Himmel fallen, sondern von Menschen geschaffene Handlungsvorschriften zur Problemlösung bleiben. Der Mensch gestaltet und kontrolliert jeden einzelnen Schritt. Auch die Wunderwaffe "Künstliche Intelligenz" sei – so wurde mir versichert – absehbar nicht in der Lage, eigenschöpferisch, vorausschauend oder abwägend Lösungen zu "erarbeiten".
Für meine fachverlegerische Arbeit bedeutet dies, dass vor allem Werke und Verlagsangebote, die auf einem für den menschlichen Verstand fassbaren Raum (Buch) komplexe Themen behandeln, die wichtige Lotsenfunktion behalten. Technische Lösungen im Rechtsbereich (Legal Tech) funktionieren bei der Lösung schematischer Rechtsfragen, wie etwa der Geltendmachung von Flugverspätungen, vermögen aber nicht, Lösungen für komplexe Konfliktthemen oder Fragestellungen zu erarbeiten.
So wird ein Schwergewicht meiner zukünftigen Arbeit auf grundlegenden Werken liegen, die sich konzentriert um Ordnung des Informations-Datenstroms bemühen und technische Programme im Recht zu dem machen, was sie sind: Assistenzsysteme, die erst mit dem literarischen Grundlagenwissen ihre volle Wirkung entfalten und nutzbar werden.