Gutenberg-Preis für Jan Philipp Reemtsma

"Nachrichten von Büchern und Menschen"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Vermittlungs-Gesamtkunstwerk: Für die Vielfalt seines Wirkens und für Editionen, die buchästhetisch Maßstäbe setzen, ist Jan Philipp Reemtsma mit dem Gutenberg-Preis der Stadt Leipzig geehrt worden.

Laudator Thedel von Wallmoden hätte es sich leicht machen können: Die Liste der von Jan Philipp Reemtsma geförderten Bücher, Editionen und Forschungsprojekte ist ellenlang – und reicht von A wie Arno Schmidt bis Y, der Forschungs- und Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Jedes der geförderten Projekte, so Wallmoden, habe seine eigene Evidenz – und doch würde die schiere Aufzählung allein nur den Reiz von Georg Kreislers „Telefonbuchpolka" entwickeln.

Die stimmungsvolle Preisrede wechselte also gleich mehrfach die Perspektive, setzte neu an: Von Druckbildern und Buchseiten war so die Rede, die seit Gutenberg immer auch Welt- und Geschichtsbilder transportieren. Oder korrigieren: Nach der Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung (1995ff.) war es in der Bundesrepublik nicht mehr möglich, von Schuld und Versstrickung der Wehrmacht im NS-Vernichtungskrieg abzusehen. Die Bemühung um das Werk Arno Schmidts, die Reemtsma 1977 als Anfangzwanzigjähriger aufnimmt und die über die Jahrzehnte von editorischer Erschließung über fulminante Ausstellungen (die jüngste, 2014 in Celle gezeigt, wird ab September auch in der Berliner Akademie der Künste zu sehen sein) bis zur selbst eingesprochenen Hörbuch-Aufnahme des Frühwerks reicht, bezeichnet der Wallstein-Verleger schlicht als „Vermittlungs-Gesamtkunstwerk". Recht hat er. „Nachrichten von Büchern und Menschen" nannte Schmidt seine Funk-Essays – ein Appell an uns Leser wider das Vergessen, der gut auch über Reemtsmas Wirken als Intellektueller, Autor und Ermöglicher stehen könnte.

Reemtsma selbst ist nicht nur „die Bibliophilie immer suspekt gewesen" – er ist auch kein Lautsprecher in eigener Sache. Sein Mit-Wirken erschließt sich dem Leser oft genug erst beim gründlichen Studium eines Impressums. „Ich bin nicht der Richtige" war denn auch die erste Reaktion, als er vom Votum der Preis-Jury erfuhr. Nun, angesichts der feierbereiten Gesichter im Leipziger Buch- und Schriftmuseum, gab er sich moderat: „Ich muss nicht in allem folgen, um danken zu können." Reemtsma tat es stellvertretend für all die Künstler, Setzer, Lektoren und Verleger, die am Gelingen des Vermittlungswerks teilhaben. Viele, darin bestand der Charme des Abends, waren selbst nach Leipzig gekommen: Der Verleger Franz Greno etwa, dem der Reprint der von Reemtsma geförderten Wieland-Ausgabe so viel Spaß machte, dass er seinen eigenen Verlag und bald die „Andere Bibliothek" startete. Friedrich Forssman, der als junger Mann mit der Idee nach Bargfeld kam, „Zettel's Traum" zu setzen – und bald Hausgestalter der Arno-Schmidt-Stiftung wurde. Birgit Otte, unter deren Leitung die Hamburger Edition zu einem renommierten sozialwissenschaftlichen Verlag wurde. Oder der Gestalter Wilfried Gandras, der den Büchern der Hamburger das passende Habit schneidert. „Vielleicht wären all diese Bücher ohne mich nicht zustande gekommen", schloss Reemtsma. „Dass es sie so gibt, wie es sie gibt – das ist Ihnen zu danken!"

nk