Hauptversammlung Börsenverein Region Norddeutschland

Stärkerer Norden durch Fusion

16. Juli 2015
von Stefan Hauck
Die Mitgliederzahl würde sich von aktuell 410 auf 877 verdoppeln und die Finanzsituation zukunftstauglich: Heute haben Buchhändler und Verleger auf der Hauptversammlung des Börsenvereins Region Norddeutschland entschieden, dass ihr Vorstand mit dem Landesverband Niedersachsen-Bremen über eine Verschmelzung spricht. In Hamburg wurde auch der Vorstand neu gewählt.

Dass die Nordlichter gut gewirtschaftet haben, steht außer Frage: Obwohl die Mitgliedsbeiträge seit 1998 nicht mehr angehoben worden und die Finanzen solide sind, macht der schleichende Mitgliederrückgang Sorgen. Aktuell gibt es in Hamburg 84 Mitgliedsbuchhandlungen (2013: 94), in Schleswig-Holstein 138 (149) und in Mecklenburg-Vorpommern 46 (49); bei den Verlagen sieht es nur in diesem Jahr leicht besser aus: In Hamburg sind es 79 (77), in Schleswig-Holstein 44 (46) und in Mecklenburg-Vorpommern 9 (8). Macht summa summarum einen Mitgliederrückgang von 3,75 Prozent, im Vorjahr waren es 3,18 Prozent.

Zwei Prozent weniger Mitgliedsbeiträge würden zu einem jährlich wachsenden Defizit führen, das 2020 schon 50.000 Euro erreicht hätte, hatte man in Hamburg hochgerechnet. Würde man die Verluste ausgleichen, wären zwei Jahre später die Rücklagen aufgebraucht, die Beiträge müssten um 30 Prozent erhöht werden – kein tragfähiges Zukunftsszenario. Auch der umgekehrte Weg, das Streichen von Leistungen, macht keinerlei Sinn: Dann könnte der Landesverband seinen Aufgaben nicht nachkommen – bereits 2006 sind die großen Positionen Personal- und Raumkosten um mehr als ein Viertel gesenkt worden, die laufenden Kosten liegen stets unter den Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. „Wir haben bereits eine sehr schlanke Geschäftsführungsstelle, die sehr effizient arbeit“, so der Vorsitzende der Region Nord, Michael Hechinger.

Erhalt der regionalen Nähe ist wichtig
Um dieser Entwicklung zu begegnen, hatte der Vorstand bereits auf der letztjährigen Hauptversammlung angekündigt, die Möglichkeit von Kostensenkungen auszuloten, ohne die Effizienz der Arbeit zu beeinträchtigen. Aufgrund der Tatsache, dass sowohl bei der Geschäftsführerin des Börsenverein-Landesverbands Niedersachsen-Bremen, Angelika Busch, als auch beim Geschäftsführer der Börsenverein-Region Nord, Michael Menard, der Ruhestand bevorstand und somit beide Geschäftsführungen neu zu besetzen waren, hatte der Vorstand der Region Nord Gespräche mit Niedersachsen-Bremen aufgenommen. „Der Gedanke an eine gemeinsame Geschäftsstelle lag nahe“, so Hechinger.

Zumal beide Landesverbände eine gemeinsame Vergangenheit haben: Im 19. Jahrhundert gab es den „Kreis Norden“ des Börsenvereins, zu dem über das jetzige Verbandsgebiet hinaus auch Bremen, das Großherzogtum Oldenburg und die Bezirke Lüneburg und Stade gehörten. Weshalb der frühere Vorsitzende Thomas Gruß vorschlug, den künftigen Zusammenschluss doch „Landesverband Norden“ zu nennen. Innerhalb dieses Gebiets seien die Wege noch vertretbar, die Verantwortlichkeit in einer Geschäftsstelle blieben klar, die Kontakte könnten ohne Umwege laufen, die Regionalität bliebe erhalten, so der Vorstand.

Und Letztere sei „ein starkes Argument für einen Zusammenschluss von Landesverbänden anstelle ihrer Fusion mit dem Bundesverband“, betonte der Vorstand. In Nordrhein-Westfalen hatte sich der Landesverband aufgelöst und mit dem Bundesverband fusioniert. Der Vorstand hat auch berechnet, welche Einsparungen bei einer solchen Fusion möglich wären, kam aber zu einem negativen Ergebnis: „Je höher der Anteil der direkt mitgliederbezogenen Arbeiten der Geschäftsstelle ist, umso geringer fällt der Spareffekt aus – eine Verlagerung in den Bundesverband würde sie nicht billiger machen“, so der Vorsitzende Michael Hechinger im Hamburger Museum der Arbeit, wo die 40 Mitglieder tagten.

Nicht nur die Spareffekte solle man im Fokus haben, mahnte Sortimenter Rainer Neumann (Mühlenkamper Bücherstube, Hamburg), sondern auch die Veränderung dazu nutzen, offensiv neue Mitglieder zu werben und zu überlegen, was den Verband attraktiv macht.

Hamburg als favorisierter Sitz der Geschäftsstelle
Statt einer noch engeren Kooperation mit einem anderen Landesverband würde die Verschmelzung von Region Nord und Niedersachsen-Bremen nur noch eine Geschäftsstelle haben, was bei Personal und Miete zu Einsparungen führen würde. Zwar würde die Mitgliederzahl sich von 410 auf 877 verdoppeln und die Kontakte zu fünf statt bislang drei Landesregierungen müssten gepflegt werden, aber eine Reihe von Aufgaben vom Internetauftritt bis zu Abstimmungen im Gesamtverband würde nicht mehr doppelt anfallen. Gute Erfahrungen gebe es auch mit der Fusion der Landesverbände Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, dieser Zusammenschluss zählt rund 1100 Mitglieder. Sicher wäre es ein flächenmäßig großes Gebiet, aber wie der LV-Niedersachsen-Bremen-Vorsitzende Peter Kniep anhand einer Karte belegte, würde das neue Gebiet nur wenige Quadratkilometer größer als Bayern sein.

Die spannende Frage von Carlsen-Geschäftsführer Joachim Kaufmann, wo denn der Sitz eines gemeinsamen Landesverbands sein würde, antwortete Hechinger diplomatisch: „Die Frage gehört bei Fusionen naturgemäß zu den schwierigsten... Da aber Herr Kniep bei der Jahreshauptversammlung des LV Niedersachsen-Bremen am 5. Mai bereits mit Blick auf die Landkarte Hamburg vorgeschlagen hat, würde ich dem eigentlich nur ungern etwas entgegensetzen ...“

Sollen die Mecklenburger eher nach Berlin-Brandenburg?
In der Diskussion, die Ulf Hansen (Buchhandlung Rüffer & Westphalen) als „für die Zukunft des Verbands eminent wichtig“ einleitete, regte Manfred Keiper (die andere buchhandlung, Rostock) an, die Verleger und Buchhändler in Mecklenburg-Vorpommern zu befragen, ob ihre Bezugspunkte nicht enger bei Berlin-Brandenburg lägen. Matthias Marissal (Buchhandlung am Rathaus in Hamburg mit zwei Filialen in Mecklenburg-Vorpommern) entgegnete, seine Wahrnehmung sei eine andere: Bei den Vertreterbörsen in Berlin etwa kämen nur wenige Buchhändler aus Mecklenburg-Vorpommern. Weitaus wichtiger sei die bislang hervorragende Betreuung durch die Hamburger Geschäftstelle, die aus Sicht der Mitglieder bislang sehr gut sei.

Dass bereits auf der Jahreshauptversammlung 2015 darüber abgestimmt werden soll, sah nicht nur Torsten Lager (Bücherstube Fuhlsbüttel in Hamburg) auch als wachsenden Druck, 2015 positiv zu entscheiden – zumal die Verschmelzung dann rückwirkend zum 1. Januar 2015 gelten soll. Wichtig sei, so die die Mehrheit der Versammlung, dass die Unterlagen mindestens sechs Wochen vorher bei den Mitgliedern sein müssen. „Dieser Antrag ist keine Freibrief für die Verschmelzung, er soll nur die Voraussetzungen in allen Belangen klären“, betonte Hechinger. „Erst auf der nächsten Hauptversammlung wird es um eine Abstimmung gehen, die auch negativ ausfallen kann.“

Die Abstimmung fiel eindeutig aus: Die 69. Hauptversammlung der Region Norddeutschland  beauftragte den Vorstand einstimmig, mit dem Landesverband Niedersachsen-Bremen Gespräche mit dem Ziel der Verschmelzung beider Landesverbände zu führen. „Der richtige Schritt zur richtigen Zeit“, urteilte Stephan Könemann (Barsortiment Könemann).

Neuer Vorstand
Auf der Jahreshauptversammlung wurde auch der Vorstand der Region Nord neu gewählt. Die bisherigen Amtsinhaber kandidierten wieder, bis auf Andrea Nunne, die ihre Buchhandlung Bücher & Co. in Hamburg-Winterhude verkauft hatte. Für sie wurde Matthias Marissal (Buchhandlung Marissal in Hamburg) neu gewählt. Alle anderen wurden wiedergewählt und verteilten einige Ämter neu.

Der Vorstand:
Jens Finger
(Hugendubel, Greifswald)
Ulf Hansen
(Buchhandlung Rüffer & Westphalen, Flensburg
Matthias J. Marissal
(Buchhandlung am Rathaus, Hamburg)
Eva-Maria Buchholz
(Hinstorff-Verlag, Rostock)
Elisabeth Hardeland
(Rowohlt), die künftig Schriftführerin ist,
Michael Hechinger
(Buske-Verlag, Hamburg), der erneut Vorsitzender ist,
Eckart Nissle
(Libri, Hamburg), der künftig als Schatzmeister fungiert.