Hinrich Schmidt-Henkel antwortet Verlegern im Übersetzerstreit

"Mit uns ist ein gedeihlicher Interessenausgleich möglich"

19. Januar 2015
von Börsenblatt
Durch einen offenen Brief der Publikumsverlage rückt der Übersetzerstreit wieder ins Rampenlicht − Hinrich Schmidt-Henkel, Vorsitzender des Verbands der Übersetzer (VdÜ), antwortete den Verlegern im Telegrammstil, aber prompt. Heute folgt die ausführliche Antwort. Schmidt-Henkel an die Adresse der Verlage: "Ihre Argumentation ist so unredlich wie ihre Honorierungspraxis."
Die Antwort von Hinrich Schmidt-Henkel im Wortlaut:

"Vor einem Jahr – deutlich vor Verabschiedung der Gemeinsamen Vergütungsregeln! − habe ich hier im Börsenblatt den Publikumsverlagen zugerufen: Lassen Sie uns die Dinge miteinander als Branche sachkundig regeln. Echo: null. Die Festgefahrenheit, die Sie in dem Offenen Brief beklagen, haben Sie selbst verursacht.

Das Stärkungsgesetz von 2002 sollte die Situation der Urheber verbessern. Die Verlage haben sich bis heute immer dagegen gewehrt. Bei den Übersetzerhonoraren gingen sie über den BGH bis zum Verfassungsgericht, doch bis heute umgehen besonders die großen Publikumsverlage die höchstrichterlichen Urteile zur Übersetzervergütung mit allerlei Tricks. Das ist so ihre Vorstellung von 'partnerschaftlichem Miteinander'.

Ein überwiegender Teil der Branche will von einer Verbesserung der Lage für die Urheber nichts wissen, sondern setzt in sturem Egoismus die eigenen Interessen durch, gegen die Rechtsprechung, gegen den unsererseits immer wieder bekundeten Willen zur Einigung. Wir erhalten ihn aufrecht!

Nach den Urteilen des BGH haben wir mit denen verhandelt, die guten Willens waren, zu einer fairen Einigung zu kommen. Dabei haben wir gezeigt: Mit uns ist ein gedeihlicher Interessenausgleich möglich. Doch selbst mit diesen Vergütungsregeln haben sich die realen Bedingungen für uns wegen der über ein Jahrzehnt stagnierenden Seitenhonorare kaum verbessert.

Entgegen ihrer Darstellung waren die großen Publikumsverlage an Verhandlungen nicht interessiert und erklärten uns, mit ihrem vielfachen Unterlaufen der BGH-Urteile gut leben zu können. Schlecht leben damit die Übersetzer, sind sie doch weiter auf den individuellen Rechtsweg angewiesen (als Verband dürfen wir nicht klagen – ein rechtliches Manko, das das Recht des Stärkeren festschreibt). Eben diese Verlage, die Verhandlungsverweigerer, sträuben sich jetzt gegen die Gemeinsamen Vergütungsregeln. Ihre Argumentation dabei ist so unredlich wie ihre Honorierungspraxis.

So bleibt den Übersetzern nur, weiter beharrlich eine angemessene Vergütung zu fordern, notfalls vor Gericht. Aus der Sicht unseres Verbandes können die 2014 vereinbarten Vergütungsregeln branchenweite Gültigkeit beanspruchen. Wenn nicht, dann haben die Unwilligen, die Blockierer, die Ausnützer ihrer Übermacht gewonnen. Es sei denn, die gesetzliche Grundlage würde noch einmal verändert, um das Ungleichgewicht der Kräfte zurechtzurücken und tatsächlich für eine Stärkung der Urheber zu sorgen."