Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb

Schule der Kritik

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Warum alle Jahre wieder so viele so gern zum Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis nach Klagenfurt kommen. Antworten von Börsenblatt-Redakteur Holger Heimann.

Es gibt nur wenige – manche bitter enttäuschte Autoren vielleicht –, die sagen würden: Einmal Bachmann-Wettbewerb und nie wieder. Die Gruppe der anderen hingegen, die Jahr für Jahr zum Wörthersee aufbricht, ist groß. Was macht die Reise so anziehend – mal abgesehen vom herrlich blauen Wasser, dem Panorama der Berge, die so verheißungsvoll fremd Karawanken heißen, dem Essen, dem Wein? Darauf muss zwar niemand verzichten, aber solche Freuden lassen sich auch anderswo und zu anderer Zeit genießen.

Warum kommen also Verleger, Lektoren, Pressefrauen und Literaturagenten zum Klagenfurter Wettlesen – auch dann, wenn keiner ihrer Autoren auftritt? Warum führt andere gar ihre Urlaubsroute just zu jener Zeit über die Kärntener Berge? Das Buch-Geschäft ist ein »Peoples-Business«, sagt man, und vielleicht lässt sich das nirgends so schön beobachten wie hier im südlichen Österreich. Wobei es weniger ums Business geht in Klagenfurt, sondern ums Grundsätzliche, um Sprache und Dichtung.

Wie auf der ORF-Bühne über Prosa nachgedacht und debattiert wird, das ist einzigartig. Der Bachmann-Wettbewerb war im 36. Jahr einmal mehr eine grandiose Feier der literarischen Fantasie, nicht im Sinne einer Andacht, sondern einer kritischen, aber immer auf den Kern – die Konsistenz eines Textes – zielenden Auseinandersetzung. Wer erleben will, mit welcher Leidenschaft und Intensität, Ernsthaftigkeit und Gedankenschärfe über Literatur (die diesmal mehrheitlich eher solide als herausragend war) geredet werden kann, der sollte deshalb einmal Klagenfurt buchen. Im Fernsehen lässt sich das Sprachspektakel auch verfolgen, live an vier Tagen, was fast ebenso bemerkenswert ist, aber die intensivere Erfahrung im ORF-Theater von Klagenfurt nicht aufwiegen kann.

Manche Verabredung fürs nächste Jahr steht schon.