Die Logistik des Wissens
Bernt R.A. Sierke präsentierte ihnen etwas, was manche anfangs vielleicht an die Zeit um 1995 erinnerte (der Titel seines Vortrags lautete „Multimediale Wissensaufbereitung. Chance oder Risiko für Verlage?“), aber natürlich schreibt auch Sierke das Jahr 2013 (und denkt ein gutes Stück darüber hinaus). Er ist Unternehmer, BWL-Professor und Präsident der Privaten Hochschule Göttingen – und einer, der Analyse gern im Zwiebelmodus betreibt - bis er zu seinem Kernthema vordingt: der Logistik des Wissens.
Neu anfangen, heißt: Wissen neu vernetzen
„Wissen entsteht heute anders und muss sich auch anders verbreiten“, meint er zum Beispiel, und rät: „Verlage müssen Logistikprozesse des Wissens gestalten und optimieren“, sprich: Inhalte (genreübergreifend) speichern, filtern, komprimieren, veredeln, strukturieren, bewerten, übertragen. Vor allem jedoch: vernetzen. Aus Sicht von Sierke, ist es höchste Zeit, dass Verlage die Mauern beiseite räumen – weil ihnen sonst nur noch der Weg in die Bedeutungslosigkeit bleibe.
Schwindet die Rolle der Verlage bei der Wissenslogistik?
„Es ist schlecht für Verlage, wenn sie die Prozesse anderen überlassen.“ Sierke hat das gar keine Zweifel: Wissenslogistik könne Sache von Verlagen sein – müsse es aber nicht. Autoren und Leser/ Nutzer würden sich schon ohne kurzschließen, ohne Zwischeninstanz. „Verlage müssen erkennen, dass das klassische Buch nicht mehr die zentrale Form der Wissensspeicherung ist“, sagt er. An ihrer Grundfunktion ändere das jedoch wenig: Publishing sei und bleibe ein Instrument der Wissensverbreitung.
Moderieren, nicht diktieren
Sierkes Analyse, so sachlich sie gemeint sein mag – sie klingt dennoch wie eine Mahnung: „Content findet sich heute unsortiert in unterschiedlichen Medien und steht immer noch nebeneinander trotz zunehmender Vernetzung“.
Sein Ideal sieht so aus: „Der Verlag beherrscht die Integration und Koordination der Prozessschritte und dominiert den Gesamtprozess durch Moderation, Coaching, Beratung, technisches Know-how und Innovation und versteht ihn als integrierte Wertschöpfungskette.“ (Fachverlage, die Akademien gründen und ihr Seminargeschäft ausbauen, sind Sierke zufolge schon auf gutem Weg in diese Richtung).
Wertschöpfer gesucht
„Menschen, Gruppen und Unternehmen benötigen massive Hilfe bei der zielgerichteten Aufbereitung und zur Verfügungstellung des 'richtigen', wertschöpfenden Contents, um Wissen nachhaltig zu generieren" - sagt der Akademiker. Man müsse künftig völlig anders rangehen - grunsätzlicher, vernetzter, parallel. Erst das Manuskript, dann das Buch und schließlich das E-Book? „Das wird es in Zukunft nicht mehr geben.“ Da seien ganz andere Konzepte gefragt.
... über die nun die Prototype-Teilnehmer nachdenken. Fünf Projekte kamen heute in die engere Auswahl, morgen Abend - wenn sie vorerst auseinandergehen und in verteilten Teams weiter arbeiten - steht dann fest, welche Themen und Ideen innerhalb der nächsten sechs Monate angehen wollen.
Wer das organisiert und die Fäden zusammenhält:
Prototype ist eine Initiative des Börsenvereins – genauer: Hier bündeln das Forum Zukunft und der Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) ihre Kräfte, unterstützt werden sie von Ehrhardt F. Heinold (Heinold, Spiller & Partner) und Harald Henzler (smart digits). Das Projekt läuft über sechs Monate und hat das Ziel, Innovationen für die Buchbranche sichtbar zu machen. Die Teilnehmer entwickeln aus Ideen Protoypen – und das kann alles mögliche sein. 2012 gehörte dazu u.a. eine emotionale Buchsuche, ein E-Publishing-Survival-Guide, und ein Werkzeugkasten für den Buchhandel (Details dazu unter www.innovation-prototype.de).