Internationale Buchmesse Brasilien

Stimmung, Stimmen, Standperformance

20. Juli 2015
von Sabrina Gab
11 Tage mit mehr als 660.000 Besuchern, die 3,5 Millionen Bücher kauften: Gerade ist in Rio de Janeiro die 16. Ausgabe der Bienal do Livro (29. August bis 8. September) zu Ende gegangen. Einen Monat, bevor Brasilien sich als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren wird, hat sich Deutschland auf der Buch-Biennale in Rio vorgestellt. Sabrina Gab hat sich bei Verlegern, Agenten und Veranstaltern am Deutschen Gemeinschaftstand nach Erfahrungen und Einschätzungen umgehört.

30 Verlage haben sich in Rio mit einer Gemeinschaftsausstellung  auf 400 Quadratmetern präsentiert. Organisiert wurde der Auftritt von der Frankfurter Buchmesse, den Goethe-Instituten in São Paulo und Rio de Janeiro sowie dem Auswärtigen Amt.

Das Programm orientierte sich mit der Standeröffnung durch den ehemaligen Kapitän der Deutschen Fußballnationalmannschaft, Michael Ballack, und der Poetry Slam-Performance von Bas Böttcher medienwirksam am Verkaufs- und Eventcharakter der Messe mit seinem vorwiegend jüngeren Publikum.

Aber auch einige Agenten und Verlagsvertreter waren nach Rio gereist, um mehr über den brasilianischen Buchmarkt zu erfahren und Lizenzverkäufe anzubahnen.
Agentin Martina Nommel, die in Rio die Verlage Thienemann, Gerstenberg, Oetinger, Dressler und Ueberreuter vertreten hat, hatte auf der Messe Gespräche mit 16 Verlagen vereinbart und zuvor bereits fünf Verlage in São Paulo besucht. Nommel sagt, sie habe interessante Lizenzverkäufe angebahnt, die allerdings noch nicht spruchreif seien. Vor allem am Pappbilderbuch habe man auf der Biennale Interesse gezeigt. „Bücher, die mehr als 200 Seiten haben, haben es hier schwer, und was bei uns für junge Leser ab 9 Jahren angeboten wird, lesen hier die 12-Jährigen“, sagt Nommel. Außerdem berichtet sie über das Programm der brasilianischen Regierung, jedes Jahr 15 Buchtitel komplett zu übernehmen, in hoher Stückzahl zu drucken und dann an die Schulbibliotheken zu verteilen. „Verlage, die in dieses Programm kommen, haben ausgesorgt“, so Nommel, „und man merkt, dass der Gedanke, einen Titel dort zu platzieren, bei den Gesprächen immer mitschwingt.“



Auch Lucia Borrero, die für Ravensburger nach Brasilien gereist war, hatte sehr viele Termine und war sehr zufrieden mit der Messe. Angela Schaaf de Lavado, für Ars Edition in Rio und wie Martina Nommel zum ersten Mal hier, glaubt ebenfalls an ein paar Verkäufe, auch wenn sie zu bedenken gibt, dass der mass market in Brasilien anders funktioniert als in Deutschland und die Bücher viel billiger angeboten werden.

Die Agentinnen haben zusammen mit Nicole Grüner (Ausstellerservice Spanien, Portugal und Brasilien), Bärbel Becker (Leiterin Internationale Projekte und Kooperationen) und Ricardo Costa (Associate Partner Brazil and South America) von der Frankfurter Buchmesse zudem den Verlagen Intrínseca, Manati und Record einen Besuch abgestattet. Bei Record hatte sich zudem Carlsen-Geschäftsführer Joachim Kaufmann angeschlossen, der gerade für die Bonnier-Gruppe in Brasilien weilte und zur Biennale einen Abstecher nach Rio de Janeiro gemacht hatte. Im Gespräch mit Record-Programmchef Sachbuch, Carlos Andreazza, erfährt die deutsche Delegation zudem, dass sich die Bienal do Livro künftig stärker als Fachmesse ausrichten wolle.

Dazu passte schon in diesem Jahr, dass die Frankfurter Buchmesse ihre internationale Konferenzmarke CONTEC Brazil mitgebracht hatte. Unter dem Motto „Literacy and the new ways of teaching“ wurden am zweiten Tag der Messe neue Technologien im Bereich Bildung und Kinderbuch diskutiert. Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse (8. Oktober) wird die CONTEC erstmals in Frankfurt stattfinden.
Marco Bosshard vom Verlag Klaus Wagenbach kam mit neun Titeln von brasilianischen Autoren zur Messe und erklärte dazu: „2010 beim Gastland Argentinien sind wir auch massiv aufgetreten, allerdings unter anderen Vorzeichen. Der argentinische Buchmarkt weist eine starke Backlist auf.“ Diese lasse Brasilien vermissen, so Bosshard. Und Debütromane seien zwar einerseits spannend, andererseits aber auch schwerer durchzusetzen. Bosshard vermisst außerdem Sozialprotest in den Büchern brasilianischer Autoren. Dieses Thema sei nur in Paulo Scotts Roman „Unwirkliche Bewohner“ zu finden (ein Interview mit Paulo Scott gibt es im Ehrengastblog der Frankfurter Buchmesse)

Für Karine Pansa, Präsidentin der Brasilianischen Buchkammer (Câmara Brasileira do Livro) sind die beiden gegenseitigen Besuche Deutschlands in Rio de Janeiro und Brasiliens in Frankfurt in einem Jahr und in dieser Intensität etwas Besonderes. Auf der Bienal do Livro war das zu spüren - man gespannt sein auf den Gegenbesuch Brasiliens in Frankfurt.