Internationaler Buchhandel (1/2)

Local first, Treuemodell und ein Bücherbus

18. Oktober 2016
von Börsenblatt
Was können Buchhändler von ihren internationalen Kollegen lernen? Eine ganze Menge: Das zeigt die Jahreskonferenz des Europäischen und Internationalen Buchhändlerverbands EIBF auf der Frankfurter Buchmesse. Drei Best-Practice-Beispiele aus dem Programm: Das Treuemodel von Akademibokhandeln (Schweden), der Bücherbus für ländliche Gegenden (Mainstreet Trading, Schottland) und die Local-First-Bewegung in den USA. 

Treue Schweden: Akademibokhandeln mit erfolgreichem Treuemodell

In den vergangenen Jahren ist die schwedische Buchhandelskette Akademibokhandeln deutlich gewachsen: Mehr als 120 Standorte gehören inzwischen zum Filialnetz: allgemeine Sortimente, die sich zumeist in Shoppingcentern und Einkaufsgalerien befinden, modern und komfortabel eingerichtet, mit einer Fläche von 300 bis 400 Quadratmetern. »Wir betreiben außerdem fünf Fachsortimente und einen Flagshipstore von 2 000 Quadratmetern in Stockholm«, berichtet Geschäftsführerin Maria Hamrefors. Im vergangenen Jahr hat Schwedens Branchenprimus ein Treuemodell für seine Kunden eingeführt – mit überwältigendem Erfolg: »Über eine Million Kunden haben sich bereits registriert, das entspricht rund 13 Prozent der schwedischen Bevölkerung über 18 Jahren«, erläutert Hamrefors. Wie kam die Marktdurchdringung zustande? »Das ist vor allem der hervorragenden Arbeit unserer Mitarbeiter in den Filialen geschuldet«, ist sich Hamrefors sicher – und wohl auch der Tatsache, dass die Schweden weniger Vorbehalte gegen das Verteilen von Kundendaten haben als die Deutschen; nicht von ungefähr sind die Schweden europaweit führend beim bargeldlosen Bezahlen.

Das Handling ist denkbar einfach: »Es gibt keine Karte, stattdessen weisen sich die Teilnehmer des Treueprogramms mit ihrem Ausweis aus – niemand will noch eine Karte in der Geldbörse herumtragen«, so Hamrefors. Wer sich als »Freund« der Buchhandlung registriert, erhält regelmäßig ein Kundenmagazin und Ein­ladungen zu exklusiven Events und ­Seminaren, zum Beispiel zu Creative-Writing-Kursen.

Wöchentlich gibt es Sonderangebote und einmal im Jahr öffnen die Filialen exklusiv für die Teilnehmer des Bonusprogramms und gewähren einen Rabatt von 20 Prozent auf den Warenkorb. »Die Kunden reagieren sehr positiv auf das Programm – und wir nutzen die Informationen, um noch bessere Services zu bieten«, erläutert Maria Hamrefors. Konkret helfen die Daten nicht nur bei Marketingaktionen, sondern auch bei der Gestaltung der Ladenflächen.

Local-First in USA : Marktstudien und Immobilienkauf

»In den 90er Jahren haben sich bei uns die Ketten breitgemacht, es herrschte eine Größer-ist-besser-Mentalität«, sagt Betsy Burton, die seit 1977 den The King’s English Bookshop in Salt Lake City, Utah, betreibt. Weil ihr Vermieter sie immer wieder zu einem Rendezvous breitschlagen wollte, nahm sie kurzerhand einen Kredit auf und kaufte die gesamte Immobilie: acht Räume mit rund 800 Quadratmetern Fläche. »Das war meine bes­te Idee in den letzten 38 Jahren meiner Karriere, der Kredit war unsere Rettung«, behauptet Burton. Als Präsidentin des US-amerikanischen Buchhändlerverbands ABA macht sie sich für Kredit­erleichterungen stark – für Einzelhändler, die ihr Ladenlokal kaufen möchten. Denn: Wenn es hart auf hart kommt, lassen sich dürre Jahre in der eigenen Immobilie leichter überstehen als in einem Geschäft mit steigenden Mietkosten.

»Wir konnten durch mehrere Studien nachweisen, dass Ketten und Onlinehändler in den Gemeinden großen Schaden anrichten, denn Einzelhändler geben einen viermal so großen Teil ihrer Einnahmen zurück in die Nachbarschaft«, berichtet Burton, die in einem 25-köpfigen Team arbeitet, elf Mitarbeiter sind in Vollzeit beschäftigt. »Die Ketten treiben die Mieten in den Städten hoch und zerstören so den Einzelhandel. Wenn die Stadt unattraktiv geworden ist und die Touristen aufgrund des ewig gleichen ­Angebots wegbleiben, schließen die Filialen«, berichtet Burton.

In der sogenannten Abacus-Studie des Verbands wird das so detailliert aufgeschlüsselt, dass in 26 amerikanischen Bundesstaaten Steuererleichterungen für Amazon abgeschafft wurden. Gleichzeitig gibt das Papier den Mitgliedern der Local-First-Bewegung Argumente an die Hand, sich bei Stadtentwicklungs­fonds und anderen Fördertöpfen zu bewerben, »auch bei den Banken hat ein Umdenken eingesetzt. Sie haben erkannt, dass ein nachhaltiges Wachstum ohne den Einzelhandel nicht gelingen kann und auf lange Sicht auch mehr Rendite abwirft.«

Britisch-schottische Grenze: Mainstreet Tradings Bücherbus

Zurück über den Großen Teich, an die schottisch-englische Grenze nach St. Boswells. Dort haben Rosamund und Bill de la Hey nach Karrieren in der Verlags- und Foto­branche auf 550 Quadratmetern ein mittlerweile preisgekröntes Buchcafé eröffnet; in einer umgebauten Scheune nebenan werden Delikatessen und Wohn­accessoires angeboten. Die beiden Unternehmer entwickeln ihr florierendes Unternehmen namens Main Street Trading Company ständig weiter, unter den Treppen haben sie beispielsweise zwei Hörbuchstationen für Kinder eingerichtet, liebevoll illustrierte Höhlen, in denen sich die Kleinen sofort wohlfühlen. Demnächst will das Paar Bücherabos als Geschenk anbieten, bei denen der Beschenkte monatlich ein handverlesenes Buch erhält.

»Wir sind hier in einer sehr ländlichen Gegend, unsere Kunden müssen oft eine Stunde oder länger zu uns fahren, bleiben aber meistens auch zwei bis drei Stunden im Laden, um Monatseinkäufe zu tätigen«, erläutert Rosamund de la Hey. Weil es sie fuchste, dass Besuche von Schulklassen unter diesen Bedingungen nur so schwierig zu organisieren waren und immer wieder am Geld für den Bus scheiterten, rüsteten die Buchhändler im vergangenen Jahr einen alten Citroën um: Früher war der Old­timer ein Feuerwehrwagen, heute ist er eine mobile Buchhandlung.

Zweimal im Jahr besucht der Bus an zwei bis drei Tagen Schulen; an Bord ist ein Kinderbuchautor, der am Ende der Tour vor rund 500 Schülern gelesen und seine Bücher im Pop-up-Store signiert hat. Jedes Jahr arbeitet Rosamund de la Hey mit einem anderen konzernunabhängigen Verlag zusammen, inzwischen koordiniert die Schulverwaltung die ­begehrten Termine, damit alle drankommen. »Viele der Kinder kennen Buchhandlungen nicht und glauben, dort geht es steif und langweilig zu«, so die Buchhändlerin: »Wir können Schwellenängste abbauen.«