Internationaler Comicmarkt

Finanzkrise sorgt für Comic-Boom

16. Oktober 2008
von Börsenblatt
Manga goes Hollywood, Potenziale in Osteuropa.
"Seitdem der Finanzmarkt in Scherben liegt, zieht der Umsatz für Comics spürbar an", beobachtet Chuck Rozanski, mit seinem Unternehmen Mile High Comics einer der größten US-amerikanischen Comichändler. Die Talfahrt an der Börse hätte dem Comic umgehend Rückenwind beschert - eine Tendenz, die bis heute anhalte. Auf der Frankfurter Buchmesse diskutierten vier Experten unter der Moderation von Andreas Dierks über Trends und Entwicklungen im internationalen Comicmarkt. Während der Umsatz weitgehend stabil ist, müssen sich die Japaner dringend neue Strategien überlegen, wenn sie weiterhin auf hohem Niveau mitmischen wollen. "In Frankreich und in den USA geht der Umsatz zurück" bestätigte Chigusa Ogino von der japanischen Tuttle-Mori Agency, die 1991 japanische Manga auf dem europäischen Markt eingeführt hat und heute 31 Länder mit Manga in 20 Sprachen beliefert. Nun liegt die Hoffnung darauf, dass das Interesse in Russland weiterhin zunimmt. "Bei uns in den USA wurde Manga überproduziert, und es wächst kein neues Publikum mehr nach", stellte US-Händler Rozanski fest, der die Heftchen inzwischen höchstens noch zu Schnäppchenpreisen losschlagen kann. Auch in Japan selbst sind schon seit zwölf Jahren starke Rückgänge zu verzeichnen. Von seiner höchsten Summe von 5,8 Milliarde US-Dollar ging der Umsatz auf 4,6 Milliarde US-Dollar zurück. Im Jahr 2006 mussten 2,3 Prozent weniger Umsatz hingenommen werden. Gleichzeitig kommen immer mehr Titel auf immer weniger Interessenten, zurzeit sind es 1418. Potenziale sieht Ogino im Crossmedia. Schon jetzt sind die Japaner heiß auf Manga übers Mobiltelefon (106 Millionen US-Dollar Umsatz im März 2007), in diesem Bereich wird weiter starkes Wachstum erwartet. Darüber hinaus setzen Verlage international auf Einnahmen aus der Vergabe von Filmrechten. Hollywood steht nicht nur in den USA, sondern auch in Japan im Focus. Auf einen beständig wachsenden Markt kann Frankreich blicken. "Dank Preisbindung haben auch kleine französische Verlage eine Chance", freute sich Didier Pasamonik. Alleine 254 einheimische Comicverlage sorgen in Frankreich für Vielfalt. "Und wir müssen uns bei Japan bedanken: Manga bringt die Kids zurück in die Comicbuchhandlungen!", so der Chefredakteur der belgisch-französischen Comic-Website ActuaBD.com. Heute seien allerdings verstärkt Manga aus Korea im Kommen, wie bereits einige Bestseller beweisen würden. Gleichzeitig ist er sich sicher: "Nächstes Jahr wird man viel über belgische Comics hören!" 2009 eröffne in Belgien das Musée Hergé, für das der Staat ein großes Budget zur Verfügung gestellt habe. Auch Claudio Curcio, Direktor des Internationalen Comicfestivals in Neapel, hat neuerdings ungewohnte Unterstützung. Unter dem Motto "100 Jahre italienischer Comic" erhält er Förderung durch das Kulturministerium: "Sie haben entschieden 'Es ist Zeit für Comics!'" Auf dem italienischen Markt wecke darüber hinaus die Graphic Novel neue Interessen im traditionellen Segment. Sie bringe, so Curcio, Literaturverlage, Buchhandel und Comic einander näher - was sich in Zukunft auch in Hinblick auf die Vertriebswege positiv auswirken könnte. Denn auch in unterschiedlich strukturierten Märkten sind die Experten einer Meinung: "Es gibt immer weniger Orte, an denen Comics angeboten werden!" In den USA sei die Comicindustrie auf 800 Comicshops angewiesen - "Buchhandlungen sterben aus", kritisiert Rozanski die aktuelle Entwicklung. Umso größer sei dort die Nachfrage auf Nebenmärkten. Laut Rozanski soll der Internethändler E-Bay im vergangenen Jahr alleine in den USA 400 Millionen Dollar über Comics umgesetzt haben. "Ein Zug, auf den ich aufspringe - auf der Messe in Baltimore habe ich 18 Tonnen gebrauchter Hefte gekauft und gerade ein neues Lager eingerichtet - ich setzte voll auf Comics!"