Interview

"Nicht im eigenen Saft schmoren"

22. Oktober 2015
von Nils Kahlefendt
Beim Speed-Dating am Stand des startup clubs trafen in Leipzig Gründer und etablierte Marktteilnehmer aufeinander. Wir haben uns im Anschluss bei einigen der teilnehmenden Unternehmen umgehört. Folge 4: Rita Bollig (Digital Marketplace Develeopment, Random House).

Was sind Ihre Eindrücke nach 60 Minuten Speeddating mit sechs Gründern?

Rita Bollig: Alle waren unglaublich engagiert und leidenschaftlich bei der Sache. Schaut man auf die Geschäftsmodelle, fällt auf, dass die Firmen auf ganz unterschiedlichem Stand sind und auch aus ganz verschiedenen Motiven heraus betrieben werden. Manchmal hat sich mir nicht ganz erschlossen, in wie weit sich die Gründer wirklich im Klaren darüber sind, ob es da draußen einen Markt für ihr Produkt gibt. Bei Start-ups steht die Leidenschaft fürs Produkt im Vordergrund, daraus entsteht die Idee – manchmal wird dann erst geschaut, ob die trägt. Da würde ich sagen. Der umgekehrte Weg ist der bessere. Es kann hilfreich sein, Geschäftsmodelle noch mal zu hinterfragen und gegebenenfalls neu zu justieren.

Mit welchen Interessen kommt ein etablierter Verlag hierher?

Bollig: Gerade für eine große Verlagsgruppe wie Random House ist es wichtig, nicht im eigenen Saft zu schmoren. Wir möchten ein Gefühl dafür bekommen, woran Start-ups gerade arbeiten, was Themen und Trends sind. Die Kür wäre, wenn man sagen könnte: Super, das passt, darüber denken wir schon lange nach. Dieses Aha-Erlebnis hat sich nicht eingestellt.

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen „alter“ und „neuer“ Ökonomie in der Branche?

Bollig: Was die Arbeitskultur betrifft, sind die Grenzen fließender geworden. Auch in großen Unternehmen hat man begriffen, das flache Hierarchien, eigenständiges Arbeiten in Teams, ein neues Verständnis von Führung und mehr unternehmerisches Denken wichtig sind, um Mitarbeiter ganz anders zu motivieren. Wichtig ist es, die Türen zur Start-up-Szene aufzumachen, miteinander ins Gespräch zu kommen, offen zu sein...

Gibt es in Ihrem Haus konkrete Anknüpfungspunkte?

Bollig: Wir haben eine Abteilung, die sich mit dem Thema Unternehmensentwicklung beschäftigt. Die schauen sich das ganz genau an.

Was kann man von Start-ups lernen?

Bollig: Die Vitalität, die Geschwindigkeit und Effizienz sind mitunter enorm. Wenn dann noch gut durchdachte, leicht skalierbare Geschäftsideen dazukommen, sollte man als traditionelles Unternehmen schon gut hinschauen.

Was halten Sie von dem Speeddating-Format?

Bollig: Ich glaube, das Signal ist goldrichtig: Zu zeigen, dass eine Tür geöffnet wird, dass es ein Forum gibt, dass sich Gründer und etablierte Unternehmen überhaupt treffen können.

Wie könnte es weiter gehen, was wäre zu verbessern?

Bollig: Vielleicht sollte man sich die ausgewählten Start-ups und ihre Geschäftsmodelle noch gründlicher anschauen, damit die Unterschiede nicht ganz so groß sind. Und: Gut möglich, dass wir manchmal auch noch zu „branchen-intern“ denken.

Rita Bollig war als Buchhändlerin tätig, bevor sie ihr Studium der Kommunikations- und Medienwirtschaft absolvierte. 2000 startete sie bei Bastei Lübbe, zunächst als Referentin für Verträge und Lizenzen, dann als stellvertretende Leiterin von Lübbe Audio. Zuletzt leitete sie den Bereich Bastei Entertainment. Anfang des Jahres hat Bollig die neu geschaffenen Position Digital Marketplace Development bei der Verlagsgruppe Random House übernommen.