Interview: Studie zum Innovationsmanagement

"Keine müden Krieger, sondern Unternehmer mit Mut"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Wie geht Innovation in der Verlagswelt und im Buchhandel? Dazu hat der Börsenverein heute in Leipzig eine Studie präsentiert. Thema: "Innovationsmanagement im Buchmarkt: Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen für die Buchbranche". Fragen an die drei Initiatoren der Studie - die beiden Unternehmensberaterinnen Uta Bösch und Ulrike Müller sowie Okke Schlüter, Professor an der Stuttgarter Hochschule der Medien.

Was sind Bedingungen für starke Innovationen? Welche Muster sind unternehmensübergreifend zu erkennen? Wie hängen Strategieprozess und Innovationen zusammen? Diese Fragen untersucht die neue Studie, die Erfolgsfaktoren und "Best Practice"-Verfahren herausarbeiten will - und dafür bundesweit 21 Branchenunternehmen interviewt hat.

Der Börsenverein unterstützt die Studie, die Ergebnisse werden allen Mitgliedsunternehmen zur Verfügung gestellt (einen Auszug aus der Studie lesen Sie hier). Durchgeführt wurde die Untersuchung von der Initiative Books in Action in Kooperation mit Uta Bösch Consulting und Prof. Dr. Okke Schlüter von der Hochschule der Medien Stuttgart. Das Forum Zukunft des Börsenvereins stellt die Ergebnisse heute auf der Buchmesse in Leipzig vor. boersenblatt.net hat die drei Experten zu den Ergebnissen befragt.

Was hat den Anstoß für Ihre Studie zum Innovationsmanagement gegeben?

Okke Schlüter: Die Wichtigkeit von Innovationen in der Buchbranche ist unübersehbar und unbestritten. Bislang lag aber keine empirische Untersuchung dazu vor - die aber ist wichtig, um das Thema angemessen zu diskutieren. Da der Börsenverein mit dem Forum Zukunft bereits seit Jahren Innovationsinitiativen unterstützt, hatten wir schnell einen idealen Partner gefunden.

Sie haben für Ihre Studie Verlage und Buchhandlungen befragt. Wie war die Resonanz auf die Einladung zum Interview?

Okke Schlüter: Sehr gemischt - neben spontanen Zusagen war auch unübersehbare Reserviertheit zu spüren. Für einige Unternehmen kam die Anfrage zu einem unpassenden Zeitpunkt, weil sie ihr Innovationsmanagement gerade neu aufsetzen. Auch das belegt indirekt die Relevanz des Themas.

Uta Bösch: Einige der Teilnehmer wollten sich gar nicht zu den Themen äußern, obwohl wir von Anfang an klar kommunizert haben, dass alle Informationen anonym behandelt werden. Diejenigen, die uns ein Interview gegeben haben, haben die Chance erkannt, die für sie selbst und für die Branche in dieser Studie liegt: Systematisch zu erheben, was in der Branche gerade passiert und die Daten aus den verschiedenen Unternehmen zu vergleichen. Denn ohnedem ist es nicht möglich zu erkennen, welche Faktoren wirklich etwas bewirken und welche vielleicht nur in einem bestimmten Unternehmen funktionieren. Dafür mussten uns die Unternehmen allerdings Informationen über ihre Vorhaben und ihre Probleme anvertrauen, die sie einem Wettbewerber natürlich nicht verraten würden. Insofern war die Kooperation mit der Hochschule der Medien für uns gut, weil sie das Vertrauen im Markt schon aufgebaut hat.

Welche Überraschungen gab es bei den Befragungen?

Okke Schlüter: Empirische Erhebungen bergen rein methodisch immer Überraschungen, aber das ist kein so spannendes Thema. Interessant war die Verschiedenheit der Ansätze und Verfahren, wie die befragten Unternehmen Innovationen hervorbringen. Man könnte das mit einer evolutionären Vielfalt vergleichen, die bekanntlich meist zu guten Ergebnissen führt.

Ulrike Müller: Es war ein Privileg, all diese Innovationsgeschichten hören zu dürfen - es ist interessant, durch welche unwahrscheinlichen Auslöser neue Ideen und Projekte in den Unternehmen entstehen, und wie jedes Unternehmen in seiner besonderen Innovationskultur sichtbar wird!

Uta Bösch: Für mich war dazu überraschend, welche Kraft und Inspiration die Unternehmen aus ihren zum Teil Jahrhunderte alten Traditionen schöpfen. Die Begeisterung und Identifikation mit ihrer Tätigkeit und den Unternehmen war ansteckend. Obwohl der Druck, der auf der Branche lastet, spürbar ist, haben wir nicht müde Krieger, sondern Unternehmer getroffen, die mit Mut und Enthusiasmus die Ärmel hochkrempeln und sich aufmachen, die Branche zu verändern.

Was sind für Sie die zentralen Ergebnisse der Studie?

Okke Schlüter: Die Ergebnisse sind sehr vielfältig. Zentraler Baustein ist eine Systematik, wie man das Zustandekommen von Innovationen in den einzelnen Unternehmen vergleichend beschreiben kann. Ebenso interessant ist eine Zusammenschau - wir nennen das die Synopse - in der man viele Details im Überblick sieht und dadurch Muster erkennt. Schließlich lassen sich auch Ansatzpunkte im Unternehmen für Handlungsempfehlungen benennen.

Uta Bösch: Auch Führung war immer wieder ein wichtiges Thema in den Gesprächen. Der Anspruch an die Führungskräfte ist gewachsen, weil sie ein innovationsfreundliches Klima schaffen müssen und die schwierige Balance zwischen einem Freiraum für Innovation einerseits und den wirtschaftlichen Interessen andererseits gestalten müssen. Und sie sind ja selbst den gleichen Unsicherheiten ausgesetzt wie die Mitarbeiter. Auch sie können nur annehmen, dass ein Weg zum Erfolg führt - und müssen gleichzeitig Vertrauen ausstrahlen.

Die Buchbranche gilt nicht unbedingt als Innovationsmotor. Ein Vorurteil, das Sie mit der Studie widerlegen können?

Okke Schlüter: Die Branche hat einige Zeit gebraucht, um Fahrt aufzunehmen. Als Ergebnis ist jetzt sichtbar, dass alle befragten Unternehmen innovativ sind, aber von sich selbst noch mehr erwarten. Insofern stimmt die Einstellung. Eine Komplikation dabei ist ja auch, dass die Bedürfnisse mancher Teilzielgruppen noch sehr stabil bleiben, während andere Innovation erwarten - beide müssen vom Unternehmen bedient werden.

Ulrike Müller: Wir dürfen auch nicht vergessen, dass nur ein Teil der Unternehmen mit uns gesprochen hat. Sicherlich haben Unternehmen, die sich den Innovationsherausforderungen noch nicht gestellt haben, kein Interesse gehabt, an der Studie teilzunehmen, aber das ist nur unsere Vermutung. Die Unternehmen, die mit uns gesprochen haben, waren auf jeden Fall sehr aktiv in ihrem Innovationsmanagement - und, vollkommen zurecht, stolz darauf!  

Ist Innovationskraft eine Frage der Größe - und damit auch des Geldes?

Okke Schlüter: Das gilt eventuell bei Investitionen in die Infrastruktur wie Media Asset Management-Systeme. Grundsätzlich hängen die beiden Eigenschaften aber nicht zusammen. Die Tatsache, dass alle nach einem "Start up-Spirit" suchen, spricht ja auch anschaulich dagegen.

Wie arbeiten Sie jetzt mit den Ergebnissen weiter?

Ulrike Müller: Wir haben aus den Gesprächen so viele Daten und wertvolle Erkenntnisse gewinnen können, dass wir erst einmal nur einen Teil für die Veröffentlichung und die Diskussion auf der Leipziger Buchmesse herausziehen. Danach möchten wir unsere gewonnenen Einsichten und Hypothesen im Dialog mit den Unternehmen weiter vertiefen, und der Branche zur Verfügung stellen.

Okke Schlüter: Der erste Schritt ist die Präsentation und Diskussion auf der Leipziger Buchmesse heute. Nach der Messe stellen wir Ergebnisse auch zum Download zur Verfügung. Wir wünschen uns, dass die Studie eine Diskussion und den fachlichen Austausch anstößt. Wir haben diese Untersuchung immer als eine erste Bestandsaufnahme deklariert - naturgemäß bleibt man dabei nicht stehen. Wir freuen uns auf diesen Austausch.

Uta Bösch: Wir möchten den Teilnehmern unserer Studie auch gerne etwas für ihren Beitrag zurückgeben, indem wir ihnen die Ergebnisse mit Blick auf ihr eigenes Unternehmen auswerten und ihnen Gelegenheit geben, diese zu diskutieren.

Hinter der Studie steht die Initiative Books in Action. Was genau verbirgt sich dahinter? 

Ulrike Müller: Die Initiative Books in Action entstand aus den Fragen zur Unternehmensentwicklung in den traditionellen Verlagen, den ich in der beraterischen Arbeit mit meinen Kunden und in der Diskussion auf Fachtagungen immer wieder begegne. Darüber hat sich zwischen mir und meiner Partnerin Uta Bösch ein spannender Dialog ergeben, weil sie den gleichen Themen in ganz anderen Branchen begegnet. Wir sind beide sogenannte Action Learning Facilitators, arbeiten also mit der Methode des handlungsorientierten Lernens - und dachten dann, dass der Name Books in Action gut zu der aktuellen Dynamik passt. Mit Professor Schlüter kam dann ein Branchenexperte hinzu, der noch einmal ganz andere Aspekte eingebracht hat.