Interview mit Annette Langen, Autorin des Welttagsbuchs 2016

"Eine Auflage von 1,2 Millionen – das hatte ich noch nie"

21. April 2016
von Börsenblatt
Mit ihren Briefen vom Hasen Felix sind viele Kinder groß geworden. Jetzt schickt Annette Langen den Jungen Noah auf Reisen – exklusiv für den Welttag des Buches. Hier verrät sie, warum sie zur Lesung immer eine Signalrakete mitnimmt. Und warum ein Brief auch in dieser (Verschenk-)Geschichte nicht fehlen darf.

Wie wird man das eigentlich – Autorin vom Welttagsbuch "Ich schenk Dir eine Geschichte"?

Langen: Das ging bei mir ganz schnell. Der cbj-Verlag hat mich angesprochen und ich fand den Vorschlag, einen Abenteuerroman für Kinder zwischen 9 und 12 Jahren zu schreiben, sehr reizvoll.

Das heißt, es sollte dezidiert ein Abenteuerroman werden?

Langen: Ja – es wurde eine spannende Feriengeschichte gesucht, passend für Kinder von der Förderschule bis zum Gymnasium.

Diese Bandbreite abzudecken – das dürfte gar nicht so einfach sein…

Langen: Ich habe das große Glück, dass ich 15 Jahre lang Schulpatentante einer Grundschule war - und dabei mit Kindern aus sehr unterschiedlichen Bildungsschichten zu tun hatte. Aus dieser Zeit weiß ich recht gut, was diese Altersstufe spannend findet. Eine lyrische Geschichte gehört eher nicht dazu. Die Story muss ähnlich spannungs- und handlungsorientiert sein wie die Filme im Fernsehen, bei denen ja auch sehr viel in sehr kurzer Zeit passiert.

Steht man beim Schreiben unter Druck, wenn man weiß, dass diese eine Geschichte nun 850.000 Schüler im ganzen Land für das Lesen begeistern soll?

Langen: Nein, für mich war das kein Druck, wirklich nicht. Wenn man das Buch schreibt, denkt man auch gar nicht daran, dass es so oft gedruckt wird –man möchte einfach eine gute Geschichte erzählen.  Die Aufgabe war für mich vor allem eine große Freude. Eine Auflage von 1,2 Millionen hatte ich noch nie, auch bei meinen Büchern mit dem Hasen Felix nicht. Es macht viel Spaß, so viele Kinder mit einer spannenden Geschichte zu fesseln und zum Lesen zu motivieren.

Ihre Geschichte erzählt vom elfjährigen Jungen Noah, der in seinen Ferien in den USA einen Tornado miterlebt. Warum haben Sie sich für dieses Thema entschieden?

Langen: Eine amerikanische Bekannte von mir hat in Oklahoma einen Tornado-Bunker in ihr Haus eingebaut. Das brachte mich auf die Idee, dass ein Kind in einen Tornado geraten und überraschend zum Retter in der Not werden könnte. Naturgewalten sind für diese Altersgruppe einfach spannend – gerade weil sie eine ganz reale Gefahr darstellen.

Wie frei ist ein Welttagsbuch-Autor in der Ausgestaltung der Story? Gab es Vorgaben, Eckpunkte?

Langen: Oh, da gab es einige: Ein Brief sollte eine wichtige Rolle spielen – das war für mich leicht zu erfüllen, denn um Briefe ging es ja auch beim Hasen Felix. Ferner sollte ein junger dynamischer Briefträger mitspielen, die Geschichte sollte mit Spannung punkten, aber auch mit einer emotionalen Ansprache. Das Verhältnis von Jungen und Mädchen sollte ausgewogen sein und es sollten verschiedene ethnische Gruppen vorkommen. Das alles habe ich dann Punkt für Punkt abgearbeitet. Der Brief war wie gesagt ein Leichtes – und ein sympathischer Briefträger ging auch gut. Es gab viele Dinge, die mir sehr nah waren.

Zum ersten Mal gibt es auch einen 32-seitigen Comicteil im Welttagsbuch. Haben Sie dafür eng mit Illustrator Timo Grubing zusammengearbeitet?

Langen: Ja – wir haben uns bis ins Detail abgestimmt. Erst hat er einen Entwurf für den Comicteil entwickelt, damit wir wussten, wie viele Bilder auf eine Seite passen. Dann habe ich dazu getextet. 100 Seiten Inhalt mussten dafür auf 60 Sätze reduziert werden. Aber das funktioniert ganz gut, wenn man sich auf die Hauptstränge der Handlung konzentriert. Ich finde die Comicversion großartig und einen wichtigen Beitrag zur Integration fremdsprachiger Kinder. Letztlich werden aber alle Kinder die Comicversion mögen, denn die Bilder fügen der Geschichte neue spannende Facetten hinzu. Man sieht einfach viel.

Viele Schüler dürften Ihren Namen von den Felix-Geschichten kennen. Ein Sympathie-Bonus?

Langen: Bestimmt! Ich habe schon einige Lesungen aus dem Buch gehalten und wenn ich mich vorstelle, sage ich gern: „Wisst ihr, wie mich die meisten nennen? Die Mutter von Felix, auch wenn ich nicht so lange Ohren habe.“ Da ist dann gleich eine Verbindung zu den Schülern da. Letztens hat ein Kind gefragt, ob ich auch bei den Felix-Filmen mitgemacht hätte. Daran sieht man: Wenn die Kinder den reisenden Hasen nicht aus den Büchern kennen, dann zumindest aus der Zeichentrickserie, die bei Kika und dem ZDF läuft.

Für das Welttagsbuch bieten Sie "interaktive Lesungen" an - wie auch für viele anderer Ihrer Titel. Wie muss man sich das vorstellen?

Langen: Ich lese nicht nur vor, sondern beziehe die Kinder aktiv mit ein. Zum Beispiel frage ich sie, wie sich Noah an einer bestimmten Stelle verhalten könnte. Und ich bringe Utensilien mit: In der Geschichte spielen eine Schwimmweste und eine Signalrakete eine Rolle. Wenn ich die Signalrakete auspacke – dann ist das immer ein echtes Highlight für die Kinder, auch wenn sie nicht abgeschossen werden darf. Aber die Schwimmweste können die Kinder natürlich anprobieren.

Sind Sie rund um den Welttag im Dauereinsatz?

Langen: Ja, ich habe viele Lesungen in Nordrhein-Westfalen und zwei in Hessen, vor allem im Buchhandel. Dabei versuche ich, den Kindern Lust aufs Weiterlesen zu machen. An einer spannenden Stelle höre ich auf und sage: Wie Noah den Tornado überstanden habt – das könnt ihr selbst nachlesen.

Sie engagieren sich als Lesebotschafterin bei der Stiftung Lesen. Warum?

Langen: Weil das Vorlesen eine der wichtigsten Investitionen in die Zukunft eines Kindes ist. Obwohl man nur ein Buch und etwas Zeit braucht, wird es in vielen Familien gar nicht mehr praktiziert. Nur 30 Prozent der Eltern lesen heute noch vor. Als Autorin und Lesebotschafterin möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dass das Vorlesen in der Familie erhalten bleibt und gefördert wird.

Sie sind in einer Buchhändlerfamilie groß geworden. Kann man da überhaupt anders, als sich für Bücher und das Lesen stark zu machen?

Langen: Eine frühkindliche Prägung ist bei mir ganz sicher da. Aber man kann auch anders. Das beste Beispiel ist mein Bruder, der als Wirtschaftsingenieur unterwegs ist.