Interview mit Börsenvereins-Justiziar Christian Sprang zu Übersetzer-Honoraren

"Interesse am Abschluss einer Gemeinsamen Vergütungsregel bleibt bestehen"

28. März 2014
von Börsenblatt
An diesem Wochenende stimmen die Mitglieder des Übersetzerverbands VdÜ über die Annahme einer sogenannten Gemeinsamen Vergütungsregel ab, die ihre Verhandlungsführer mit dem Hanser-Verlag, Hoffmann und Campe sowie wenigen weiteren, kleineren Verlagen vereinbart haben.

Wie kam es zur Aushandlung dieser Vergütungsregel?Bekanntlich sind um die angemessene Vergütung literarischer Übersetzer in den letzten Jahren viele Prozesse geführt worden. Im Herbst 2013 hat dann das Bundesverfassungsgericht die vom Bundesgerichtshof (BGH) aufgestellten Vergütungsgrundsätze als verfassungsgemäß bestätigt. Diese BGH-Regeln bringen für Hardcover-Verlage mit gewissen Einnahmen aus der Vergabe von Taschenbuchlizenzen erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber Verlagen mit integriertem Taschenbuchprogramm mit sich. Deswegen hat eine kleine Gruppe von Hardcover-Verlagen unter Federführung des Hanser-Verlags Gespräche mit dem VdÜ aufgenommen. Ursprüngliches Ziel dieser Verhandlungen war es, durch Abschluss einer für Hardcoververlage geltenden Gemeinsamen Vergütungsregel gemäß § 36 Urheberrechtsgesetz die durch die unglückliche Rechtsprechung entstandenen Marktnachteile aufzufangen und damit zugleich für literarische Übersetzer den Fortbestand einer wichtigen Gruppe von Auftraggebern zu sichern. Im Laufe der Gespräche stellte sich heraus, dass die Vorstellungen des VdÜ über den Inhalt einer Vergütungsregel nur mit denen von zweien seiner Gesprächspartner - des Hanser-Verlags und des Verlags Hoffmann und Campe - in Übereinstimmung zu bringen waren. Insbesondere der durch die Gerichtsurteile besonders betroffene Hanser-Verlag hat die Gespräche mit den organisierten Übersetzern dann vorangetrieben und schließlich einen Entwurf einer Gemeinsamen Vergütungsregel mit dem VdÜ vereinbart, der sich Hoffmann und Campe und drei weitere Verlage angeschlossen haben.

Die Verlage, die sich mit dem VdÜ verständigt haben, scheinen sich von der Vergütungsregel Vorteile gegenüber der Anwendung der Regeln des BGH zu versprechen. Ist vor diesem Hintergrund überhaupt damit zu rechnen, dass die Gemeinsame Vergütungsregel von der Mitgliederversammlung des VdÜ angenommen wird?Davon gehe ich aus. Es ist zwar so, dass die Hanser-Vergütungsregel für die Übersetzer bei einigen Regelungsparametern deutliche Nachteile gegenüber einer Anwendung der von den Gerichten entwickelten Grundsätze mit sich bringt. Dem stehen aber symbolträchtige positive Abweichungen gegenüber, wie insbesondere die laufende Beteiligung ab dem ersten verkauften Exemplar zusätzlich zum gezahlten Normseitenhonorar. Das dürfte psychologisch den Ausschlag geben, auch weil die Beteiligung am Verkauf von Verlagsausgaben greifbarer ist als Anteile an Lizenzerlösen.

Ist davon auszugehen, dass die Hanser-Vergütungsregel branchenweite Geltung und Bedeutung bekommt oder zumindest für eine Vielzahl von Hardcoververlagen Relevanz gewinnen wird?Bislang hat sich nur eine Handvoll Verlage für die geplante Vergütungsregel entschieden. Aufgrund der Spezifika der Geschäftsmodelle und Erlösstrukturen des Verlagstyps, auf den die Hanser-Vergütungsregel zugeschnitten ist, steht nicht zu erwarten, dass sich die vereinbarten Regeln auch für alle anderen Hardcoververlage oder gar für einen nennenswert großen Teil der deutschen Publikumsverlage als passend erweisen werden. Dies hängt u.a. damit zusammen, dass sich die Lizenzerlöse aus Taschenbuch- und Buchgemeinschaftsverwertungen, die gerade bei Hardcoververlagen traditionell ein wichtiger wirtschaftlicher Lebensnerv sind, durch die zunehmende Konkurrenz zwischen E-Book und Taschenbuch seit einiger Zeit negativ entwickeln. Deswegen haben Lizenzerlöse aktuell und perspektivisch nur für sehr wenige Verlage noch eine solche Bedeutung wie für Hanser oder Hoffmann und Campe. Letztlich ist die DNA von Verlagen auch innerhalb des Verlagstyps Hardcoververlage zu unterschiedlich, als dass der Abschluss der Hanser-Vergütungsregeln allen von ihnen wirtschaftliche Vorteile gegenüber der Anwendung der BGH-Regeln verspräche.

Können Übersetzer sich gegenüber anderen Publikumsverlagen auf einzelne oder alle Inhalte der Hanser-Vergütungsregel berufen? Können Publikumsverlage aus der Hanser-Vergütungsregel (nur) diejenigen Elemente in ihre Übersetzerverträge übernehmen, die gegenüber den vom BGH aufgestellten Regeln für sie vorteilhaft sind?Nein. Die Hanser-Vergütungsregel gilt gemäß § 36 UrhG ausschließlich für die Verlage, die diese mit dem VdÜ als Erstunterzeichner vereinbart haben und eventuell solche, die sich dem Regelwerk später noch anschließen. Für alle übrigen Verlage und ihre Übersetzer bleibt es bei dem vom BGH eröffneten Regelungsrahmen, also der sogenannten Fünftel-Formel, nach der einem Übersetzer ein Fünftel der Vergütung zustehen soll, die der Autor nach allen Abzügen erhält, und der damit verbundenen relativ hohen Beteiligung an Lizenzerlösen. Da die vom BGH aufgestellten und vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Regeln ebenso wie die Hanser-Vergütungsregel in sich geschlossene Systeme bilden, würde ein willkürlicher Austausch einzelner Elemente der Regelwerke – wie z.B. der Höhe der Normseitenvergütung oder der prozentualen Beteiligung an Lizenzerlösen - zwangsläufig zu einem Verlust der Vergütungslogik führen.

Ist damit zu rechnen, dass es noch zum Abschluss einer branchenweiten Gemeinsamen Vergütungsregel für literarische Übersetzer kommt?Seitens der deutschen Publikumsverlage besteht unverändert Interesse am Abschluss einer Gemeinsamen Vergütungsregel mit dem VdÜ, um Branchenfrieden und Rechtssicherheit herzustellen. Bekanntlich hat es bereits im Jahr 2008 eine Verständigung mit der Honorarkommission des VdÜ auf eine branchenweite Vergütungsregel für literarische Übersetzer gegeben. Diese Vergütungsregel wurde damals von der Hauptversammlung des VdÜ nicht unterstützt, ist aber anscheinend vom BGH aufgegriffen worden, als er über die Klagen von Übersetzern auf angemessene Vergütung zu entscheiden hatte. Nach dem Abschluss der Hanser-Vergütungsregel kann zwar selbst eine von einer großen Zahl von Publikumsverlagen mitgetragene Vergütungsregel nicht mehr ALLE deutschen Verlage erfassen. Gleichwohl ist gut vorstellbar, dass mit einer branchenweiten Vergütungsregel die in den Urteilen des BGH verbliebenen Unzulänglichkeiten im Interesse von Übersetzern und Verlage ausgebügelt werden können. Man darf gespannt sein, ob von der Mitgliederversammlung des VdÜ am Wochenende ein Signal dahin ausgeht, solche Gespräche mit den Publikumsverlagen zu suchen, oder ob die organisierten Übersetzer sich mit dem Nebeneinander einer aktuell für fünf Verlage geltenden Vergütungsregel und der Anwendung der BGH-Grundsätze auf den Rest ihrer Verträge zufrieden geben.

Inwieweit ist eigentlich der Börsenverein in die Verhandlungen mit dem VdÜ involviert gewesen?
Der Bundesverband des Börsenvereins fungiert nicht als Arbeitgeberverband, besitzt also keine Tariffähigkeit. Seine Mitgliedsverlage haben ihn auch nicht bevollmächtigt, Gemeinsame Vergütungsregeln im Sinne von § 36 UrhG mit Autorenorganisationen auszuhandeln. Damit ist diese Aufgabe den Verlagen selbst überlassen. Selbstverständlich leistet der Verleger-Ausschuss des Börsenvereins organisatorische Hilfestellungen, wenn dies von betroffenen Verlagen im Rahmen solcher Verhandlungsprozesse gewünscht ist. Gibt es einen derartigen Wunsch nicht, und so war es im Falle der Gespräche von Hanser und anderen Verlagen mit dem VdÜ, laufen solche Verhandlungsprozesse ohne uns ab und wir erfahren wie jeder andere Außenstehende deren Ergebnisse erst post factum.