Interview mit Buchmesse-Chef Oliver Zille

"Wir müssen Leipzig qualitativ ausbauen"

21. März 2016
von Börsenblatt
Den Leipziger Messemachern ist wieder ein großes Lese- und Begegnungsfest gelungen. Aber ein "Weiter so!" wäre dennoch die falsche Devise. Direktor Oliver Zille denkt an Tag 1 nach dem Event schon an die Zukunft.

Die Besucherzahlen stimmten wieder. Was belegen sie? Eine ungebrochene Begeisterung der Menschen für Bücher. Und eine ungebrochene Begeisterung für die Formen, in denen Literatur hier in Leipzig vermittelt wird.

Worin liegt das Leipzig-Spezifische der Vermittlung? Wir organisieren ein großes Gemeinschaftserlebnis. Und zugleich bieten wir Communities einen Ort der Begegnung. In der Vielfalt der Zugänge zu Büchern, die wir heute kennen, ist es wichtig, dass Menschen sich auch unter Gleichgesinnten austauschen können.

An den Rändern der Messe entsteht Neues, aber der Branchenkern stagniert. Stimmt dieser Eindruck? Das bleibt abzuwarten. Ein einzelner Jahrgang sagt darüber nicht viel aus. In drei bis vier Jahren sehen wir klarer. Stabil bis wachsend sind wir als Leipziger Buchmesse jedenfalls im Bereich literarisches Leben, Kinder- und Jugendbuch und Bildung. Rückläufig entwickelt sich das Fachbuch. Auch bei Dienstleistern, Zeitschriften und Ratgebern bleibt es derzeit schwierig.

Hoffmann & Campe fehlte, KNV fehlte, andere kamen deutlich verschlankt. Ich warne aber davor, darin gleich einen Trend zu sehen. Einzelunternehmen haben hier Entscheidungen für sich getroffen. Andere haben sich ganz anders entschieden. Viele Verlage sagen mir, sie wollten eher ausbauen als zurückbauen. Richtig ist allerdings, dass die Jahre ständigen Flächenwachstums in Leipzig erst einmal vorbei sind. Das war freilich auch absehbar.

Was tun Sie dafür, dass Leipzig für die Branche eine relevante Messe bleibt? Wir müssen die Buchmesse vor allem qualitativ ausbauen. In diesem Jahr gehörten Formate und Plattformen wie Neuland 2.0 oder die Bloggerkonferenz ebenso dazu wie der Denk-Raum "Europa 21". Mich hat es übrigens fasziniert, wie bei einem so schnellen Ereignis wie einer Messe ein solcher Denk-Raum funktionieren kann. Es ist dort tatsächlich gelungen, nicht nur Fragen zu stellen, sondern die Pause zwischen Frage und Antwort auszuhalten. Es wurde sozusagen laut nachgedacht. Das wird es in Zukunft auf jeden Fall weiter geben.

Laut nicht nachgedacht wird an Ständen wie dem der Rechtsausleger von COMPACT. Für viele Aussteller war das eine Zumutung. Kommt man da mit dem bloßen Verweis auf Artikel 5 Grundgesetz zur Meinungsfreiheit hin?
Jedenfalls ist Artikel 5 schon maßgeblich. Denn er schützt auch die Freiheit von Meinungen am rechten Rand und mutet uns zu, sie bis zu einem gewissen Grad auszuhalten. Aber natürlich müssen wir Aussteller wie dieses COMPACT-Magazin im Blick behalten. Das Problem, fürchte ich, wird in den nächsten Jahren nicht abnehmen, sondern eher zunehmen. Die politischen Ränder werden lauter und aggressiver.

Interview: cas