Interview mit Dieter Wallenfels zu Buchhändlerrabatten

Bei 50 Prozent ist Schluss!

18. Dezember 2013
von Börsenblatt
Für viele Verlage sind die Wochen vor Weihnachten eine Zeit nicht nur der schönen Überraschungen: Die Buchhändlerrabatte werden verhandelt. Was tun, wenn sich die Konditionenforderungen eines Händlers außerhalb des gesetzlichen Rahmens bewegen? Antworten vom Preisbindungstreuhänder Dieter Wallenfels.

Ab welcher Höhe verstoßen Buchhändlerrabatte gegen das Buchpreisbindungsgesetz? Das Gesetz macht dazu keine zahlenmäßigen Vorgaben, weder zum Mindestrabatt noch zu einer Grenze nach oben. Allerdings regelt der Paragraph 6 nicht nur die Preisbindung der letzten Hand (also den Preis, den der Endabnehmer zu zahlen hat), sondern er trifft auch Regulierungen für das Verhältnis zwischen Verlagen und Handel. Da gibt es eindeutige und weniger eindeutige Vorschriften.

Was sagt das Gesetz denn eindeutig? Eindeutig sagt es, dass die Zwischenbuchhändler keine schlechteren Konditionen haben dürfen als Letztverkäufer. Der Barsortimentsrabatt ist also die Obergrenze für die Konditionen der Händlerbelieferung. Ebenso eindeutig ist, dass Verlage branchenfremde Händler nicht zu günstigeren Konditionen beliefern dürfen als den Buchhandel.

Und was ist interpretationsbedürftig? Weniger eindeutig ist die Vorschrift, in der es heißt, dass die Verlage ihre Konditionengestaltung nicht allein am Umsatz ausrichten dürfen, sondern auch berücksichtigen müssen, welchen buchhändlerischen Service der Händler im Rahmen seiner Größe und seiner betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten erbringt.

Wie kommt man nun an Zahlen und klare Ansagen? Es gibt die Möglichkeit, sich an der früheren Verwaltungspraxis des Bundeskartellamts zu orientieren. Das hat ausdrücklich gesagt: 50 Prozent sind die Obergrenze. Handelsspannen von mehr als der Hälfte der Verbraucherpreise wären, so das Argument, so hoch, dass sie die kleinen Händler gegenüber den Großen diskriminieren würden. Auch eine übertriebene Rabattspreizung entspricht eben nicht dem Sinn und Zweck der Buchpreisbindung.

Haben die 50 Prozent, obwohl sie nicht im Gesetz stehen, einen rechtsverbindlichen Charakter? Ich kann mir vorstellen, dass sich die Gerichte heute noch an den 50 Prozent als Richtschnur orientieren würden. Außerdem ist es ja wohl so, dass sich der Barsortimentsrabatt ebenfalls in dieser Höhe bewegt.

Was droht einem Verlag, wenn er seinem Händler Rabatte in rechtswidriger Höhe gewährt? Die Sanktionsregelungen sind ja im Gesetz selbst enthalten. Wer den Vorschriften zuwiderhandelt, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Wenn dann noch Vorsatz oder Fahrlässigkeit dazukommt, ist auch eine Schadensersatzverpflichtung begründet. Dieselben Regelungen finden sich übrigens im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Im Buchhandel gilt das für marktmächtige und marktbeherrschende Firmen, die ihre Marktmacht missbrauchen.

Hat eigentlich der Händler nichts zu befürchten? Doch. Die Händler sind ja Mittäter. Wenn etwa eine Kette Nachlässe verlangt, die der Verlag nicht geben darf, aber unter dem Druck dann doch einräumt, sind beide dran. Jeder Wettbewerber, der sich von solchen Rabattgestaltungen benachteiligt fühlt, könnte gegen beide Seiten vorgehen.

Was fällt unter den Begriff des Rabatts? Gehören Werbekostenzuschüsse, Jahresboni, Skonti, lange Zahlungsfristen und andere Vorteile für den Händler dazu? Auch hier gibt es Vorgaben des Bundeskartellamts. Das hat gesagt: WKZ, Partie, überhaupt alles das, was eine Verbesserung der Konditionen bedeutet, ist letztlich eine Rabatterhöhung und also bei der Bemessung der Rabattgrenze zu berücksichtigen. Das gilt nur für solche Zuwendungen nicht, die ganz besondere Werbeaktionen des Buchhandels finanzieren. Alles andere sind Konditionen.

Kann ein Verlag seinen Händler, der ihm mit Auslistung droht, weil ihm keine unzulässig hohen Rabatte gewährt wurden, rechtlich belangen? Der Verlag kann auf dem Weg einer Feststellungsklage eine gerichtliche Klärung herbeiführen. Wenn man tatsächlich ausgelistet wird − was ja Verlagen durchaus schon passiert ist −, ist eine Klage gegen die Auslistung möglich.

Und kann der Verlag den großen Schaden, der ihm droht, auf dem Klageweg wieder beheben? Um größeren Schaden möglichst zu verhindern, sollte man dann versuchen, in einem Eilverfahren eine Entscheidung zu bekommen, die die Auslistung stoppt. Im Übrigen entstehen dem Verlag natürlich Schadensersatzansprüche gegen den Händler.

Sehr große Buchhändler haben erhöhte Konditionenforderungen immer mit verbesserter Leistung begründet. Ist das Argument jetzt nach starkem Flächenrückbau noch zu gebrauchen? Es nimmt jedenfalls Schaden. Da kann man sich ja am Wortlaut des Gesetzes orientieren, das klar auf die buchhändlerischen Serviceleistungen im Interesse der Buchkäufer abstellt. Flächenrückbau ist eine Tendenz, die wegführt von dem, was sich der Gesetzgeber vorgestellt hatte. Überhaupt muss man sehen, dass alle betriebswirtschaftlichen Erwägungen ihre Grenzen im Freistellungszweck des Gesetzes finden − also in seiner kulturpolitischen Funktion.

Können Verlage einen Händler, der sich rechtswidrig verhält, auch gemeinsam belangen? Verlage können durchaus gemeinsam vorgehen. Unzulässig wäre nur ein Kartell, wenn Verlage sich zusammentun und sagen, wir sperren einen Händler. Aber eine gemeinsame gerichtliche Aktion wäre in Ordnung. Damit würden Verlage nur ihre Interessen bündeln, das wäre so eine Art Sammelklage.

Darf ein großer Online-Buchhändler von einem Verlag im Rahmen der Konditionengespräche verlangen, dass der nicht mehr so viele E-Book-Bundles anbieten soll?
Nein. Das wäre ein unzulässiger Eingriff in die kaufmännischen Überlegungen eines Verlags. Man darf seine Meinung sagen. Aber man darf damit keine Forderungen verbinden.

Interview: Torsten Casimir