Interview mit eBuch-Vorstand Lorenz Borsche zur "Illuminati"-Aktion

"Wir werden Recht bekommen"

9. Februar 2016
von Börsenblatt
Die Genossenschaft eBuch will wegen der "Illuminati"-Aktion vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen Bas­tei Lübbe und Amazon erwirken. Wie berichtet, hatten die Unternehmen die Unterlassungserklärung der eBuch nicht unterschrieben. eBuch wirft Bastei Lübbe und Amazon vor, mit der kostenlosen Download-Aktion, bei der zunächst die Kindle-Lese-App heruntergeladen werden musste, gegen die Preisbindung verstoßen zu haben. Im Interview mit boersenblatt.net gibt sich eBuch-Vorstand Lorenz Borsche siegessicher.

Bastei Lübbe und Amazon haben laut eBuch die Unterwerfung abgelehnt, jeweils mit dem Hinweis, zum einen seien E-Books keine Bücher, zum anderen sei auch das Verschenken eines Buches kein Verstoß gegen Paragraf 3. Die eBuch werde daher mit dem heutigen Tag eine gerichtliche Klärung dazu einleiten. 

Bestritten worden sei auch, dass Bastei Lübbe ein Mittäter sei. Alle Äußerungen aus dem Hause Bastei Lübbe ließen aber darauf schliessen, dass die Aktion zwischen Amazon und Bastei Lübbe abgesprochen war und weitere Aktionen in der Zukunft folgen sollten. Genau um dies zu verhindern, gehe die eBuch dagegen vor.

Bei Preisbindungsexperten bestehen große Zweifel, dass Sie mit Ihrer Klage gegen Amazon und Bastei Lübbe Aussicht auf Erfolg haben. Was passiert, wenn Sie mit der EinstweiligenVerfügung vor Gericht scheitern?
Dann würden wir uns den Grund des Scheiterns genau ansehen. Das wird aber nicht der Fall sein. Wir wollen geklärt haben, dass Paragraf 3 des Preisbindungsgesetzes ("Wer gewerbs- oder geschäftsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft, muss den nach § 5 festgesetzten Preis einhalten.") das Verschenken von Büchern verbietet. Um es klar zu machen: Es geht in diesem Paragrafen nicht um den einzelnen Akt, bei dem entschieden werden kann: Verkauf oder Schenkung. Sondern: Wer überhaupt gewerbsmäßig Bücher verkauft, muss bei jedem einzelnen den festgesetzten Preis einhalten.

Verschenken, das darf jeder tun, der nicht gewerblich Bücher an Letztabnehmer verkauft, wer das aber tut, muss den Preis einhalten. Der Preis kann möglicherweise auch 0,00 Euro sein, das gilt dann aber für alle Händler und nicht nur für Amazon. Sollten wir erstinstanzlich unterliegen, gehen wir auf jeden Fall weiter bis zum Oberlandesgericht. Ich rechne aber viel eher damit, dass die Gegenseite unterliegt, das aber nicht akzeptieren würde - Bastei Lübbe vielleicht, Amazon nach unserer Erfahrung sicher nicht, da reicht eventuell noch nicht mal ein OLG-Urteil.

Hätte das nicht zur Konsequenz, dass unternehmerische Freiheiten beschnitten werden? Schließlich kann jedes Unternehmen seine Produkte kostenlos und ohne Gegenleistung anbieten. Viele Buchhändler machen ihren Kunden beispielsweise zu Weihnachten Buchgeschenke. Warum wollen Sie das unterbinden? 
Das wollen wir gar nicht. Und hätten Bastei Lübbe und Amazon sich einfach an Branchenusancen gehalten, nämlich dass Rabatte auf Bücher (hier 100 Prozent) eben nicht für Werbung eingesetzt werden dürfen und deshalb generell verboten sind, dann hätten wir nicht auf Paragraf 3 pochen müssen. Wir werden solche Grenzfälle auf keinen Fall thematisieren, wollen aber unbedingt verhindern, dass Amazon oder andere Große, die sich das leisten können, solche Bauernfängerei regelmäßig zu ihren Gunsten betreiben.

Glauben Sie, dass das Preisbindungsgesetz dafür gemacht wurde, solche Freiheiten einzuschränken?
Nein, es wurde gemacht, um einen Wettbewerb – und da steckt ja auch das Wort Werbung mit drin – über den schieren Preis zu verhindern. Und genau das klagen wir jetzt ein und werden auch Recht bekommen, der Paragraf 3 gehört zu den klarsten und eindeutigsten Gesetzestexten, die mir je untergekommen sind.

Rezensionsexemplare oder Bücher, die zum Welttag des Buches verschenkt werden, könnten durch Ihr Vorgehen ebenfalls ins Visier der Gerichte geraten und möglicherweise unliebsame Entscheidungen zur Folge haben.
Wir werden nur den oben genannten Punkt beklagen. Es geht uns nur um diesen einen Fall. Rezensionsexemplare oder die Welttags-Bücher kommen in unserer Klage nicht vor, das Gericht wird also darüber auch nicht entscheiden. Außerdem fällt die Stiftung Lesen nicht unter den Paragrafen 3, da sie nicht „gewerbsmäßig Bücher an Letztabnehmer verkauft“. Rezensionsexemplare solange auch nicht, wie der Verlag selbst kein Direktgeschäft betreibt. Und über den anderen Fall werden wir fein stille schweigen. Es täte uns sehr leid, wenn es da Probleme gäbe, aber wir hätten das nicht zu verantworten, sondern diejenigen, die meinten, man dürfe als gewerblicher Verkäufer Bücher als Werbeaktion gratis abgeben. Nein, darf man nicht.

Zwar kommen Rezensionsexemplare und Welttags-Bücher nicht in Ihrer Klage vor. Wird es nicht dennoch dazu führen, dass auch solche Usancen nicht mehr rechtssicher möglich sind?Wie schon gesagt, Verschenken darf jeder, der nicht gleichzeitig geschäftsmäßig Bücher verkauft, z.B. die Elektro-Firma, die ihren Mitarbeitern zu Weihnachten ein Buch schenkt, oder eben die Stiftung Lesen. Was die Weihnachtsgaben der Buchhändler angeht, da muss man schauen, ob die verschenkten Bücher überhaupt preisgebunden sind, d.h. einen Preis haben. Meistens sind das ja Sonderausgaben. Und sollten die trotzdem eine ISBN bekommen, dann ist es dem Verlag durchaus möglich, den Preis auf 0,00 € zu setzen. Dann darf das Buch auch gratis abgegeben werden. Im Übrigen wird von unseren Buchhändlern seit Jahren eine Weihnachtsgabe organisiert, die kein Buch ist. Falls irgendwer auf die unsinnige Idee kommt, Weihnachtsgaben in Form von Büchern beklagen zu wollen – wir werden das sicher nicht sein.

Wie schnell wird es gehen, bis Sie eine Entscheidung für oder gegen eine Einstweilige Verfügung haben?
Schwer zu sagen, es könnte bei diesem durch die Rechtsprechung noch nicht behandelten Thema auch eine mündliche Verhandlung geben, dann haben wir in drei bis vier Wochen eine Entscheidung. Ohne mündliche Verhandlung wird es ca. eine Woche dauern.

Wie schätzen Sie Ihre Erfolgsaussicht ein?
Das kann ich Ihnen sagen: Genau 100 Prozent, spätestens beim OLG, aber vermutlich schon erstinstanzlich. Der Gesetzestext ist nicht auslegbar und lässt da keinerlei Spielraum zu: Wer gewerblich Bücher verkauft, muss den Preis einhalten. Immer! Tertium non datur.

Wie finanzieren Sie die juristischen Auseinandersetzungen der eBuch?
Wir führen ca. 50 Verfahren im Jahr, mal Preisbindung, mal UWG, von denen wir glücklicherweise nur ganz wenige verlieren, zwei oder drei. Deswegen kostet das nicht viel, außer unserer Arbeitskraft. Natürlich werden wir auch mal Geld los, aber zum Ausgleich können wir manchmal kleinere Strafgelder einsetzen. Aus Genossenschaftsgeldern haben wir 2015 ca. 10.000 Euro dazugeschossen.

Üblicherweise wird das Strafgeld an das Sozialwerk oder andere gemeinnützige Organisationen gespendet ...
Das tun wir in Fällen, bei denen sich das richtig lohnt, in denen wir so eventuell eine längerfristige Auseinandersetzung vermeiden möchten – gerade Branchenmitglieder zahlen lieber ans Sozialwerk. Und bei Fällen, bei denen wir das Gefühl haben, hier ist es wichtig, dem Buchhandel etwas zurückzugeben, was ihm mit eventuell unfairen Methoden abgejagt wurde, z.B. wenn es um Preisbindungsverstöße von Amazon geht. Wenn aber ein Supermarkt einer Kette wieder mal preisgebundene Bücher rein lokal als Aktionsware bewirbt, weil der örtliche Betriebsleiter den entsprechenden Hinweis der Zentrale übersehen hat, dann freuen wir uns, das anfallende Strafgeld für andere Aktionen investieren zu können.

Interview: Christina Schulte

Und hier noch Argumentationslinien der eBuch-Anwälte sowie der eBuch:

Warum E-Books Bücher sind:

Das Gegenargument, E-Books seien keine Bücher, widerlegen die Anwälte der eBuch, die Berliner Kanzlei v. Nieding Ehrlinger Marquardt: Der vom Kabinett gebilligte Referntenentwurf sei juristisch nur eine Klarstellung ohnehin schon bislang geltenden Rechts und diene nur der Rechtssicherheit.

Und so argumentiert die eBuch: "Die Tatsache, dass die Branche sich bislang offenbar in völliger Einigkeit an die von den Verlagen festegesetzten E-Book-Preise gehalten hat, belegt eindrucksvoll, dass eben diese  Branche E-Books schon immer als Bücher betrachtet hat, es ist uns kein Fall bekannt - bei immerhin bislang vermutlich 50-100 Mio. verkauften E-Books - bei dem versucht worden wäre, von diesem Preis um einen gewissen Rabatt nach unten abzuweichen. So fand man den betroffenen Titel auch während der Gratis-Aktionszeit in der Referenzdatenbank des VLB mit seinem richtigen Preis und dem wohlbekannten roten Referenzhäkchen, das ihn als gebundenen Preis und damit der Preisbindung für Bücher unterliegend kennzeichnet.

Warum es Gratis-Aktionen weiterhin geben darf:

Jeder Verlag kann, mit einer Vorlaufzeit von vier  Wochen, den festgesetzten Preis ändern, ggfs. eben auch auf 0,00 €, und ihn Tage oder Wochen später wieder auf einen gewünschten Markt-Preis anheben. Dann allerdings muss jeder Händler, der das Buch oder E-Book ausliefert, diesen festgesetzten Null-Preis einhalten, eine  Überschreitung wäre ebenso ein Verstoß gegen §3, wie jeder Rabatt es ist. Sicher ergeben sich noch andere Fragen in diesem Zusammenhang, aber der eBuch geht und ging es vornehmlich darum, Amazon eine Umgehung des Verbots der Werbung mit preisreduzierten Büchern zu verbieten, denn genau darum geht es im §3 der Buchpreisbindung, für deren genaue Einhaltung die eBuch sich immer eingesetzt hat."

In einer vorherigen Version wurde die Argumente der eBuch irrtümlich den Anwälten der eBuch zugeschrieben. Wir bitten dies zu entschuldigen.