Interview mit Heike Hauf, Allitera-Verlag, zum open mike-Textbuch

"Der open mike ist als Literaturwettbewerb ganz nah am Puls der Zeit"

16. November 2009
von Börsenblatt
Seit dem Jahr 2000 bringt der Allitera-Verlag jährlich die Texte der jungen Literaten, die in die Endrunde des open mike gelangen, als Anthologie heraus. Heike Hauf betreut die Reihe.
Wie kamen Sie dazu?
Hauf:
1999 gestalteten einige Kommilitonen und ich im Rahmen eines Projekts im Studium der Buchwissenschaften das erste Buch zum open mike. Im Jahr darauf setzte ich als Lektorin bei Allitera das Projekt fort und finde es bis heute spannend: Der open mike ist als Literaturwettbewerb ganz nah am Puls der Zeit, die Texte sind ganz rein und frisch. Im Gegensatz etwa zum Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gibt es hier ja eine Altersbegrenzung - sie liegt bei 35 Jahren - und die Texte werden anonymisiert, um eine vorbehaltslose Herangehensweise der Juroren zu gewährleisten.

Gibt es Spezifika beim Lektorat dieser Texte?
Hauf:
Es ist kein Lektorat im eigentlichen Sinne, eher ein Korrigieren, denn die Texte sollen ihre Ursprünglichkeit bewahren. Man muss dabei z.B. auf besondere Schreibweisen Rücksicht nehmen. Dieses Jahr waren Gedichte dabei, deren Zeilen das Längsformat der Seite überschritten. Also entschied ich mich mit der Autorin fürs unübliche Querformat.

Was hat sich wesentlich verändert in den vergangenen Jahren?
Hauf:
Der Umzug der Literaturwerkstatt nach Berlin-Mitte hat ein größeres Publikum beschert. Der neue Sponsor Crespo Foundation fördert Autorenworkshops vor und nach dem Festival, die Sieger gehen auf Lesetour und erhalten so mehr Publicity. Aber auch Kritik am Etablierten ist nun zu hören: Der open mike wurde mehrfach tot gesagt, und man bemängelt, es gewinne jedes Mal nur die Leipziger Schule. Und dann stimmt es doch nicht; es gibt immer wieder neue Stimmen. Bezüglich der Themen hat man zuweilen den Eindruck, dass die Begründung und Einschätzung der Juroren anlässlich der Preisvergabe die Textausrichtung des folgenden Jahres beeinflusst.

Wie hoch ist die Auflage, wie das Leserinteresse?
Hauf:
Die Auflage liegt relativ konstant bei 300 Stück; der Digitaldruck erreicht Deckungsauflage. Eigentlich könnte die Anthologie auf Interesse einer größeren Leserschaft stoßen, denn in den letzten Jahren sind neben den Verlagslektoren etliche Scouts und Agenten vor Ort, die die jungen Autoren sogar direkt nach der Lesung ansprechen und abwerben. Hier ist die Schriftstellerriege von morgen; es wird sichtbar, wie Autorenkarrieren starten. Dennoch ist es bislang so, dass offenbar überwiegend nur die im Literaturbetrieb Beschäftigten diese Anthologie lesen, das Interesse der Leser hingegen erst danach beginnt, nämlich wenn die Autoren ihre erste eigene Buchveröffentlichung aufweisen.