Interview mit Karin Schmidt-Friderichs

Werbung für das Stofflich-Sinnliche

25. August 2011
von Börsenblatt
Die Stiftung Buchkunst renoviert sich selbst und ihren Wettbewerb. Die neu gewählte Vorsitzende des Vorstands, die Mainzer Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs (Hermann Schmidt Verlag), sagt, wo es langgehen könnte.  

Wie soll die Arbeit der Stiftung Buchkunst in Zukunft ausgerichtet sein?
Ich sehe einen doppelten Fokus. Zum einen richtet sich die Arbeit an die Fachwelt. Wenn die Stiftung ein Buch prämiert, ist das für die Hersteller und Gestalter der Ritterschlag. Ihr hohes Renommee verdankt die Stiftung auch der exzellenten Arbeit, die mein Vorgänger Thedel von Wallmoden als langjähriger Vorsitzender des Vorstand geleistet hat. Sehr wichtig finde ich auch die Rolle der Preisjury als Feedback-Geber. Die Kommentare der Juroren sind uns immer mindestens so viel wert wie der Ruhm und die Ehre einer Auszeichnung. Man lernt viel dabei – wie in einer Erfa-Gruppe.

Und wie beurteilen Sie die Außenwirkung der Stiftungsarbeit?
Wenn ich in eine Buchhandlung komme und bringe den Aufkleber „Eines der schönsten deutschen Bücher“ mit, dann passiert nicht das, was passiert, wenn auf einer DVD-Hülle „Nominiert für 3 Oscars“ steht. Da liegen noch große Chancen. Es ist mein Traum, dass die Feuilletons sich mit der Frage beschäftigen, was ein handwerklich gut gemachtes Buch ist und was die Qualität begründet. Dafür bietet der Wettbewerb doch den idealen Anlass.

Wie wollen Sie erreichen, dass die Öffentlichkeit mehr über schöne Bücher redet?
Es reicht nicht aus, die Bücher einfach nur zu zeigen. Wir brauchen dahinter eine zweite, eine didaktische Ebene, um die Menschen für die ästhetische und körperliche Seite der Bücher zu sensibilisieren. Und wir müssen unsere Buchhändler noch besser in die Lage versetzen, ihren Kunden das stoffliche, sinnliche Buch nahe zu bringen – etwa indem wir in Seckbach Seminare dazu anbieten.

Wie wird das Thema Verkaufsförderung von den Stiftern gesehen?
Das wird seit einem Jahr heiß diskutiert. Gründungszweck der Stiftung war jedenfalls die Förderung des künstlerisch gut gestalteten Handelsbuchs, nicht die seines Verkaufs. Aber dass sich prämierte Bücher besser verkaufen lassen, wäre aus meiner Sicht ein hoch willkommener Nebeneffekt, den man auch anstreben darf, ohne den Stiftungszweck zu verraten. Wichtig ist nur, dass die Frage der Verkäuflichkeit oder des bereits erzielten Verkaufserfolgs im Juryverfahren keine Rolle spielt; da geht es um Gestaltung und Handwerk.

Wird die Stiftung irgendwann auch das vorbildlich gestaltete E-Book auszeichnen?
Mittelfristig ist das unbedingt sinnvoll. Ich wünsche mir einen Geschwister-Wettbewerb – mit eigener Jury. Aber zunächst sollten wir uns – auch mit Blick auf das zur Verfügung stehende Geld – auf die Gestaltung gedruckter Bücher konzentrieren.

Wird nicht das Hauptaugenmerk der Stiftung auf das, was Sie stofflich-sinnlich nennen, eines Tages überholt sein?
Das glaube ich überhaupt nicht. Die Idee der Stiftung ist, das schöne Buch zu fördern. Wir werden die physische Existenz von Büchern als Begleiter durch unser Leben noch sehr bewusst schätzen lernen, erst recht in unserer digitalen Zeit.

Spielt der Freundeskreis der Stiftung in Ihren Zukunftsplänen eine Rolle?
Eine sehr wichtige. Ich glaube, hier können wir noch viel Bücherliebe und zusätzliches Engagement aktivieren. Anders als in den Neunzigern, als der Freundeskreis gegründet wurde, ist heute das Bekenntnis zum schönen Buch ein echtes Statement in der Gesellschaft. Das findet Gehör und Beachtung. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich Menschen zum schönen Buch bekennen und es fördern möchten, die nicht direkt aus der Buchherstellung kommen. Eine private Mitgliedschaft kostet 75 Euro im Jahr, die steuerlich absetzbar sind. Das ist für den Einzelnen nicht die Welt, für die Welt der schönen Bücher kann es aber wertvoll sein.

Sie selbst als Verlegerin stehen wie kaum jemand sonst für das schöne Buch – und haben bei den Wettbewerben der Stiftung oft gewonnen. Verträgt sich das mit Ihrem neuen Amt?
Leider nein. Deshalb haben mein Mann und ich uns entschieden, dass der Verlag zum Wettbewerb solange nichts einreichen wird, wie ich dem Stiftungsvorstand angehöre. Aber wenn unsere Autoren das in eigener Initiative tun wollen, kann ich sie nicht hindern. Würde ich das tun, würden wir sie verlieren, denn Autoren kommen zu Schmidt, weil sie wissen, dass sie von uns ein schönes Buch bekommen. Ich sitze aber ja nicht in der Jury.