Interview mit Kay Oberbeck zu Google

"Mit wachsender Größe eines Unternehmens nimmt auch die Projektionsfläche für Kritik zu"

18. Februar 2010
von Börsenblatt
In New York findet heute die Anhörung zum veränderten Google-Buchsuche-Vergleich statt. Über die Aussichten des Settlements und über Googles Gesamtstrategie hat boersenblatt.net mit Kay Oberbeck, Unternehmenssprecher von Google für Deutschland, Österreich und die Schweiz, gesprochen. Mehr zu Google und zur Anhörung lesen Sie im aktuellen Börsenblatt 7 / 2010 ab Seite 16.

Heute tragen Befürworter und Gegner des Google Book Settlement in New York noch einmal ihre Argumente vor. Welche Entscheidung wäre aus Ihrer Sicht wünschenswert?
Oberbeck: Wir würden uns natürlich wünschen, dass das veränderte Google Book Settlement in seiner jetzigen Form genehmigt wird, da wir davon überzeugt sind, dass der Vergleich für Leser, Autoren und Verlage große Chancen bietet. Wir haben uns gemeinsam mit den Vertretern der Verlage und Autoren in den USA auf einen Vergleich geeinigt, der den Zugang zu Millionen von nicht mehr lieferbaren Titel in den USA, und zwar ausschließlich in den USA, ermöglichen wird. Autoren und Verlagen werden neue Wege eröffnet, mit Ihren Werken Einnahmen zu erzielen und gleichzeitig den Zugang zu ihren Werken zu kontrollieren.

Die Geschwindigkeit, mit der Google wöchentlich neue Produkte und Services aus seinen Labs entlässt, ist atemberaubend. Können Sie verstehen, dass einige Beobachter Googles Innovationstempo und Expansionsstrategie als aggressiv empfinden?
Oberbeck: Das Auffinden von Informationen ist die Kernaufgabe einer Suchmaschine, und sie leistet damit einen unverzichtbaren Beitrag für die Informationsgesellschaft. Vor diesem Hintergrund haben wir es uns zum Ziel gesetzt, die Informationen dieser Welt in einer übersichtlichen Art und Weise für jedermann verfügbar und nutzbar zu machen. An oberster Stelle dabei steht die Ausrichtung auf den Nutzer – alles andere folgt von selbst. Der Erfolg von Google bei den Nutzern basiert auf harter Arbeit, technologischen Innovationen und der Faszination, die von ihnen ausgeht. Mit wachsender Größe eines Unternehmens nimmt auch die Projektionsfläche für Kritik zu. Das ist beileibe nichts Ungewöhnliches und auch verständlich. Größe muss aber nicht automatisch mit unredlichem Handeln einhergehen. Wir stehen für die selben Werte wie vor elf Jahren bei der Gründung. Unsere Prinzipien basieren generell auf Transparenz und Wahlmöglichkeiten – für unsere Nutzer genauso wie für unsere Partner.

Dienen neue Services oder Plattformen wie Goggle, Buzz, Wave, Living Story nur dazu, neue Anzeigenumgebungen zu schaffen – oder geht es auch darum, Daten in sozialen Netzwerken zu sammeln, die man später für ganz andere Geschäftsmodelle, vielleicht auch bezahlte Dienste, nutzen könnte?
Oberbeck: Weder das eine noch das andere. Bei der Entwicklung von Produkten lassen wir uns davon leiten, was die Nutzer wünschen – und lassen ihr Feedback ebenso in die Produkte einfließen. Generell haben derlei Innovationen das Ziel, das Internet-Erlebnis für die Nutzer zu verbessern und den Zugang zu Informationen zu erweitern. Ob uns das immer gelingt, darüber entscheiden letztlich die Anwender. Es gibt auch bei Google Produkte, deren Fortentwicklung wir eingestellt haben. Es gibt ebenso vielerlei Produkte, die auch Jahre nach ihrer Einführung nicht monetarisiert werden, weil es den Nutzern keinen Mehrwert bringen würde. Google Earth zum Beispiel, das trotz mehrerer Hundert Millionen Nutzer keine Form der Monetarisierung beinhaltet.
 
Inzwischen greifen die Aktivitäten Googles auf Geschäftsfelder über, die bisher von Software-Giganten wie Microsoft oder Online-Händlern wie Amazon dominiert wurden. Bleibt Google seinem Gründungsauftrag treu, das Weltwissen zugänglich zu machen, wenn es E-Book-Händler wird (mit Google Editions), eigene Betriebssysteme (Chrome OS), eigene Smartphones (Nexus One) und demnächst auch eigene Tablets entwickelt oder über Google Apps Büroanwendungen vertreibt?
Oberbeck: Wir wollen die Informationen dieser Welt in einer übersichtlichen Art und Weise für jedermann verfügbar und nutzbar machen. Dazu gehören nach unserem Verständnis ebenso innovative Projekte wie der Browser Google Chrome, das Betriebssystem Google Chrome OS oder die mobile Plattform Android, die alle auf Open-Source-Technologie basieren. Die herkömmlichen Browser-Technologien haben zum Beispiel aus unserer Sicht die rasante Weiterentwicklung auf Internetseiten nur unzureichend wiedergespiegelt. Dies hat uns dazu bewogen, mit Google Chrome eine zuverlässige, sichere und schnelle Browseralternative zu entwickeln. Mit Android haben wir zusammen mit mehr als 50 Partnern eine offene mobile Plattform entwickelt, in der die Innovationen abgebildet werden können, die vorher auf den geschlossenen Plattformen nicht möglich waren. Insofern sehen wir unsere Aktivitäten in diesen Bereichen sehr wohl im Einklang mit unseren Unternehmenszielen.
 
Google bekommt derzeit immer mehr Widerstand gegen seine Daten-Sammelpraxis zu spüren – vor allem beim Google-Maps-Zusatzdienst Street View. Können Sie die Ängste von Privatpersonen, Datenschützern und Politikern verstehen?
Oberbeck: Datenschutz hat für Google höchste Priorität und wird in unseren Produkten von klaren Prinzipien geleitet:
– Wir verwenden Daten zur Bereitstellung hochwertiger Produkte und Services für unsere Nutzer.
– Alle Google-Produkte unterliegen hohen Datenschutzstandards.
– Die Erfassung von Daten wird transparent gemacht.
– Nutzer erhalten sinnvolle Wahlmöglichkeiten zum Schutz ihrer Daten.
– Wir gehen mit gespeicherten Daten verantwortungsvoll um.
Wir haben immer nach diesen Prinzipien gehandelt. Sie sind entscheidende Gründe dafür, dass unsere Entwickler laufend an neuen innovativen Verbesserungen des Datenschutzes arbeiten, wie beispielsweise dem Google Dashboard, dem Manager für Anzeigeneinstellungen oder der Data Liberation Front – allesamt Projekte, die einzigartig in unserer Branche sind und den Datenschutz maßgeblich vorantreiben. Und auch bei Google Street View haben wir von Beginn an Technologien entwickelt und implementiert, um den Schutz der Privatsphäre zu gewährleisten - mit Technologien zur Unkenntlichmachung von Gesichtern und Kfz-Kennzeichen sowie der Möglichkeit, Bilder bereits im Vorfeld vor dem Start in Deutschland herauszunehmen oder auch jederzeit nach der Einführung zu entfernen.