Interview mit Klaus Kluge und Thomas Schierack

Bastei Lübbe im Übergangsjahr

1. Juli 2016
von Börsenblatt
Viele Zukäufe und neue Partnerschaften im Digitalbereich, weniger Gewinn: Am Mittwoch hat die Verlagsgruppe Bastei Lübbe ihren Geschäftsbericht 2015/16 vorgelegt. Christina Schulte, stellvertretende Chefredakteurin des Börsenblatts, hat mit den Vorständen Klaus Kluge und Thomas Schierack gesprochen.

War das abgelaufene Geschäftsjahr für Bastei Lübbes Verhältnisse turbulent genug?
Schierack: Es war sicherlich sehr arbeitsintensiv und − wie immer bei Bastei Lübbe − sehr ereignisreich. Mit den Ergebnissen sind wir durchaus zufrieden – es war ein Übergangsjahr, das war uns von Anfang an klar. Wir liegen bei den Erlösen etwas unter Vorjahr, das haben wir aber so erwartet. Auf der anderen Seite gab es jede Menge Besonderheiten und neue Beteiligungen in einem Markt, der sich stetig verändert. Schauen Sie sich all unsere Beteiligungen einmal an. Vor fünf Jahren war noch nicht einmal ansatzweise absehbar, dass wir heute so aufgestellt sein würden. Bei einem solchen umfangreichen Veränderungsprozess ist es enorm wichtig, die Mitarbeiter zu informieren, sie mitzunehmen und zu motivieren. Wir müssen ihnen vermitteln, warum wir das alles machen und wohin wir wollen, denn unsere Mitarbeiter sind eine tragende Säule unseres Unternehmens und wir wissen, dass wir es nur gemeinsam schaffen, unsere Ziele zu erreichen.

Die Umsätze im Buchbereich sind von 56,5 Millionen Euro auf 48,3 Millionen Euro gesunken. Wo sind die acht Millionen Euro geblieben?
Kluge: Der Rückgang war plangemäß. Wir hatten letztes Jahr mit dem dritten Band der Jahrhundert-Trilogie von Ken Follett einen veritablen Blockbuster; solche Vorjahreszahlen sind schwer zu wiederholen ohne einen entsprechenden Topseller. Außerdem spüren auch wir, dass sich die Midlist zunehmend schwer tut. Umso mehr freuen wir uns, dass Ken Follett im Herbst nächsten Jahres wieder einen klassischen Mittelalterroman vorlegen wird, begleitet von einem Adventure-Spiel, das derzeit von unserer Beteiligung Daedalic entwickelt wird. Dann erwarten wir Zahlen, von denen wir bislang nur träumen konnten.

Verdient haben Sie mit dem Buchbereich statt 5,4 Millionen Euro nur 2,1 Millionen Euro. Warum dieser überproportionale Rückgang?
Kluge: Wir müssen immer mehr investieren, gerade auch ins Marketing. Bestes Beispiel ist unsere Autorin Petra Hülsmann, die mit ihrem dritten Buch „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ erstmals Platz 4 der Bestsellerliste erreicht hat. Da wurden Investitionen getätigt, für eine Taschenbuch-Originalausgabe wohlgemerkt, die man früher fürs Hardcover ausgegeben hätte. Es wird immer aufwändiger, insbesondere für Debüt-Autoren, Sichtbarkeit zu erreichen. Die Investments werden höher, das macht sich dann natürlich in der Rendite bemerkbar. Um beim Beispiel Petra Hülsmann zu bleiben, die Aufwendungen amortisieren sich manchmal erst beim dritten Titel.

Welchen Anteil an den rückläufigen Einnahmen hat die "Illuminati"-Aktion bei Amazon, mit der Sie zu Jahresbeginn den Buchhandel zumindest teilweise verärgert haben?
Kluge: Das hat sich in den Zahlen niedergeschlagen, keine Frage. Einige Buchhändler haben sehr reserviert auf diese Marketingaktion reagiert, unser Außendienst wurde streckenweise nicht besonders freundlich empfangen. Aber: Solche Krisen bergen auch Chancen in sich, für uns war es Anlass, das oft diskutierte, aber nie finalisierte Thema der Preisgestaltung von Büchern mit Blick auf ihre Wertigkeit und die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten anzugehen. Durchaus in unserem eigenen Interesse, aber auch und insbesondere im Interesse des Buchhandels. Die Sortimenter brauchen bessere Margen, wollen sie auf Dauer überleben; dafür, dass diese nicht über höhere Konditionen eingeholt werden können, gibt es weitgehend Verständnis, das Thema ist ausgereizt. Es geht also allein über höhere Buchpreise, oder, wie ich es lieber nennen möchte, über angemessene Buchpreise. Höher klingt so, als ob wir die Kunden übervorteilen wollten. Davon sind wir weit entfernt. Es ist nur an der Zeit, die Buchpreise der sonstigen Preisentwicklung im Warenkorb anzupassen.

In Sachen Preiserhöhung haben Sie ein großangelegtes Marktforschungsprojekt gestartet. Wie ist der Stand?
Kluge: Wir arbeiten auf zwei Ebenen: Zum einen handeln wir, für das kommende Herbstprogramm haben wir fast durchgehend die Preise aufgerundet und teilweise deutlich angehoben, und bei der Gelegenheit auch gleich die ungeliebten -,99er Endungen abgeschafft. Andererseits möchten wir all die weit verbreiteten Thesen, wie die der vermeintlich fest zementierten Preisschwellen mit Hilfe profunder Marktbeobachtung verifizieren. Da sind wir mitten im Planungsprozess, gemeinsam mit der Gruppe Nymphenburg. Testtitel wurden bereits definiert und werden im Juli in zwei Testfilialen in Deutschland und Österreich platziert. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der kommende Herbstbestseller von Cody Mcfadyen wird mit unterschiedlichen Preisen angeboten - die Kunden werden in ihrem Auswahlverhalten beobachtet und anschließend zu ihren Entscheidungskriterien befragt. Die große Feldphasebeginnt dann im Oktober 2016. Das Ganze ist ein ziemlich komplexes Projekt, von dem wir uns profunde Erkenntnisse erwarten.

Vor wenigen Wochen haben Sie sich für ca. zehn Millionen Euro 51 Prozent an dem Rackjobber BuchPartner gesichert. Was macht dieses Investment attraktiv?
Kluge: Der Kampf um die Autoren wird immer härter. Garantien gehen in Größenordnungen, bei denen man sich fragt, wie sich das noch rechnen soll. Dem muss man etwas entgegensetzen. Wir sind kein Großkonzern, sondern ein mittelständisches Unternehmen, können und wollen nicht immer mit dem Scheckbuch winken. Über BuchPartner haben wir die Möglichkeit, insbesondere den Lebensmitteleinzelhandel großflächig zu erreichen und dort für eine angemessene Präsenz zu sorgen. BuchPartner ist Marktführer in diesem Segment.

Nicht jeder Buchhändler wird sich über dieses Engagement freuen.
Kluge: Wir sehen in dem Fachmarkt einen wichtigen und wachsenden Vertriebskanal, wobei ich betonen möchte: Der Fachmarkt ist keine Konkurrenz zum Buchhandel. Ich bin sicher, dass die Schnittmenge derer, die im Buchhandel ein Buch kaufen und derer, die spontan an der Kasse im Lebensmitteleinzelhandel zum Taschenbuch eines Bestsellerautors greifen, relativ gering ist. Es wird für Sichtbarkeit und damit letztlich für steigende Umsätze gesorgt. Ich meine, es muss im Interesse aller sein, von alten Feindbildern, so sie überhaupt noch existieren, abzurücken. In jedem Fall profitiert der Autor, und das ist ja unsere vorrangigste Aufgabe, unsere Autoren glücklich zu machen.

Sie haben wirklich fleißig zugekauft. Die Romance-Lables Lyx und Ink gehören Ihnen ebenfalls seit wenigen Wochen. Was haben Sie damit vor?
Kluge: Das war eine glückliche Fügung. Wir sind stark im Spannungsgenre und bei historischen Romanen. Im Bereich Frauenromane haben wir immer mal wieder Topautoren gesetzt, aber wir haben stets mit großem Respekt auf das geschaut, was Lyx gemacht hat. Sie haben es innerhalb weniger Jahre geschafft, Marktführer im Bereich Romance zu werden. Vor allem ist es ihnen gelungen, unbekannte Autorinnen aufzubauen. Die Übernahme von Lyx durch unser Haus hat auch den Vorteil, dass der Standort Köln für die Lektoren gewahrt bleibt. Zudem bietet Lyx ein Programm, bei dem der Buchhandel, aber auch BuchPartner eine große Rolle spielen. Also auch hier gibt es eine Koinzidenz. Vor allem aber bringen die sieben Lyx-Lektorinnen neben ihrer programmatischen Kompetenz eine sehr hohe Erfahrung im direkten Kontakt zu den Lesern über die sozialen Medien mit. Davon können wir alle nur profitieren.

Viele Buchhändler rätseln, was der neue Ken Follett kosten wird. Verraten Sie uns den Preis?
Kluge: Ich habe einen Wunschpreis, dieser liegt bei 36 Euro. So viel wird das Buch wahrscheinlich kosten. Bei der Abstimmung auf boersenblatt.net hat sich ja gezeigt, dass ein Preis von 40 plus als überrissen angesehen wird. Das nehmen wir uns zu Herzen. Eine Steigerung von 29,99 Euro auf 36 Euro ist schon in Ordnung. Der Digitalanteil bei Ken Follett ist sehr hoch und wir müssen darauf achten, auch hier einen Preis zu finden, der nicht als überzogen betrachtet wird.

Der Vorstand von Bastei Lübbe wurde im Laufe des Jahres von vier auf zwei Personen reduziert. Wieviel Mehrarbeit bedeutet das für Sie beide – und bleibt der Vorstand in dieser Größe bestehen?
Schierack: Wir haben eine super zweite Ebene, die Kollegen nehmen uns wirklich viel Arbeit ab. Dennoch: Es gibt viel zu tun, aber wir schaffen das. Wir sind ja noch jung! (lacht). Außerdem haben wir unsere Beteiligungen in einer Holding gebündelt, das führt auch zu einer Arbeitsentlastung bei uns. Die Aufstockung des Vorstands ist derzeit nicht geplant.

Welches ist die größte Herausforderung für Ihr Unternehmen?
Schierack: Der Wandel ist unsere größte Herausforderung. Wenn jemand sagt, in fünf Jahren sehen Verlage noch genauso aus wie heute, sehe ich das nicht so. Wir haben ein sich dynamisch weiterentwickelndes Konsumverhalten. Wir müssen stetig analysieren, was die Zielgruppen wünschen, ob wir mit den Inhalten, die wir bieten, die Leser auch künftig erreichen. Wie sieht Entertainment in den nächsten Jahren aus, welchen Zeitanteil wird das Lesen von Büchern in den kommenden Jahren innerhalb der Freizeitbeschäftigungen noch haben? Gerade bei der jungen Leserschaft wird es nach meiner Meinung an Bedeutung verlieren. Daher müssen wir innovativ sein und neue Formate ausprobieren. Mit der Plattform Oolipo haben wir ein echtes Startup mit einer wirklich innovativen Idee und Technologie im Portfolio. Es ist ein voll digitaler, auf das Smartphone fokussierter neuer Ausspielkanal für kurze Unterhaltungsinhalte, also Serien, aber auch Multimediainhalte. Wir wollen im Herbst starten und machen damit etwas, was es in dieser Form noch nicht gibt. Wir sind von der Idee überzeugt. Wir gehen davon aus, dass wir Erfahrungen sammeln und Dinge weiterentwickeln müssen, auch nachdem wir die Plattform gelauncht haben – gerade für uns als traditioneller Verlag ist das eine extrem spannende Herausforderung, aber im positiven Sinn. Man muss kreativ sein, Dinge ausprobieren und seinen Markt finden.

Die Börse honoriert Ihre Aktivitäten bislang nur mäßig. Der Aktienkurs dümpelt vor sich hin. Warum?
Schierack: Es stimmt, wir haben noch Luft nach oben. Die Analysten, die sich intensiv mit uns beschäftigen, sehen das auch so. Jetzt kommt es darauf an, dass wir die Dinge umsetzen. Butter bei die Fische, wie es so schön heißt.

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