Interview mit Leif Greinus zum Wanderhurenstreit

"Das ist alles sehr aufreibend"

15. April 2014
von Börsenblatt
Der Independent-Verlag Voland & Quist sieht sich im Wanderhurenstreit gegen Droemer Knaur im Recht. Wie es mit Julius Fischers Kurzgeschichten-Sammlung "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" und im Verfahren weitergeht − und wie er den zehrenden Streit wegsteckt, verrät Verleger Leif Greinus im Interview mit boersenblatt.net.

Seit auf Startnext Ihre Crowdfunding-Aktion läuft, haben 215 Unterstützer rund 7.500 Euro gespendet − durchschnittlich 35 Euro. Nun bleiben Ihnen noch 20 Tage um die restlichen 4.500 Euro einzusammeln. Wie optimistisch sind Sie, Ihr Ziel zu erreichen? Sehr optimistisch. In der Startphase mussten wir zunächst 100 Fans generieren, um die Spenden überhaupt einsammeln zu können. Das ist uns in nur einer Stunde gelungen – wir hätten 30 Tage Zeit gehabt. Zwei Stunden nach Start der Finanzierungsphase hatten wir bereits fast ein Viertel der Summe zusammen. Natürlich glaube ich, dass wir den Rest auch noch schaffen.

Wer spendet, dem winkt je nach Höhe des Betrags als Dankeschön etwa ein Abendessen mit dem Verlagsteam oder eine Wohnzimmerlesung mit ihrem Autor Julius Fischer. Wie sind Sie denn auf die ungewöhnliche Idee gekommen, einen Rechtsstreit mit Crowdfunding zu finanzieren? Das ist uns zusammen mit unserem Co-Verleger Sebastian Wolter beim Mittagessen eingefallen. Uns war es außerdem wichtig, dass es bei den Dankeschön-Aktionen einen persönlichen Bezug gibt. Darum zum Beispiel auch die Wanderung mit Julius Fischer durch die Sächsische Schweiz. Das hat sich irgendwie ja auch geradezu aufgedrängt.

Für 30 Euro erhält man ein signiertes Exemplar des Buchs "Die schönsten Wanderwege der XXXXXXXXX" mit einem alternativem Titel, bei 50 Euro sogar eine Namensnennung im Fall einer Neuauflage. Ein auffällig großer Anteil der Spender legt offensichtlich Wert auf die Buchausgabe. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Das hat natürlich damit zu tun, dass "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" gerade vergriffen ist. Es wird zurzeit noch nicht einmal gebraucht angeboten. Unser Titel ist derzeit wegen des Rechtsstreits auch bei Amazon gesperrt. Die Idee, verrückte Alternativtitel beim Signieren ins Buch zu schreiben, hatte Julius Fischer bei seinem letzten Besuch im Verlag. Das war schon sehr witzig, welche Alternativen ihm beim Signieren in nur zwei Stunden eingefallen sind.

In der ersten Instanz am Landgericht Düsseldorf wurde verfügt, dass Sie nach Abverkauf das Buch nicht mehr mit dem Begriff "Wanderhure" im Titel laufen lassen dürfen. Sie könnten doch einfach jetzt einen jener neuen Titel wählen, um sich weiteren Ärger zu ersparen. Worum geht es Ihnen im Streit? Unsere Sichtweise ist die: Wir sind berechtigt, den Titel "Die schönsten Wanderwege der Wanderhure" zu verwenden. Wir sind keine Trittbrettfahrer, die versuchen, vom Erfolg der Romane von Iny Lorentz bei Droemer Knaur zu profitieren − es geht uns um die Kunstfreiheit. In der Urteilsbegründung des Landgerichts Düsseldorf heißt es, dass das Markenrecht über der Kunstfreiheit steht, in unserem speziellen Fall über dem Recht auf Satire. Das wollen wir so nicht hinnehmen. Wir wissen, dass viele Kollegen in anderen Verlagen dieses Urteil ebenfalls sehr kritisch sehen, denn dieses Urteil ist nicht annähernd gut begründet. Daneben haben wir auch ein finanzielles Interesse: Wenn wir gewinnen, werden uns die entstandenen Ausgaben erstattet. Wir glauben, dass das Oberlandesgericht unsere Ansicht teilt und wir darum unterm Strich Null auf Null aus dem Streit herauskommen. Wenn wir gewinnen, wollen wir das Geld aus der Crowdfunding-Aktion dann dem Kurt-Tucholsky-Museum in Rheinsberg spenden.

Dem Tucholsky-Museum? Etwa wegen des willkommenen Tucholsky-Zitats "Was darf Satire? Alles."? Tucholsky war ein großartiger Satiriker. Leider ist das Museum alles andere als auf Rosen gebettet. Ich war vergangenes Jahr dort und fand, dass die Ausstellung mit entsprechendem Budget wesentlich lebendiger gestaltet werden könnte.

Eine Auseinandersetzung wie diese ist bei der Personaldecke eines Indie-Verlags auch immer ein Nervenkrieg. Wie stecken Sie das weg? Der Streit läuft ja schon eine ganze Weile. Ich weiß noch, wie es angefangen hat. Eigentlich wollte ich mir am Montag, den 2. Dezember frei nehmen. Nicht zu arbeiten hat für uns ja absoluten Seltenheitswert. Am Freitag davor um 18.15 Uhr kam aber das Fax des Anwalts von Droemer Knaur, dass die Kollegen natürlich erst am Montagmorgen gesehen haben. Damit war der freie Tag passé. Das alles ist schon ziemlich aufreibend. Es wäre aber alles noch viel negativer, wenn es nicht so viel Zuspruch aus der Branche gegeben hätte. Und den gab es.

Gab es auch Reaktionen aus der Branche, mit der Sie so nicht gerechnet hätten? Ganz überrascht waren wir von dem Interview mit Rainer Dresen im "Buchmarkt". Dass der Justiziar von Random House unsere Auffassung im Rechtsstreit nachvollziehen kann, freut uns natürlich.

Können Sie denn auch die Sicht von Droemer Knaur verstehen? Was haben Sie dagegen, dass ein Verlag versucht, seine Erfolgsmarke auf juristischem Weg zu schützen? Nein, tut mir leid, ich verstehe nicht, warum man an uns ein Exempel statuieren will. Es geht uns ja auch nicht darum, dass Droemer Knaur Trittbrettfahrer nicht abstrafen soll, wenn etwa historische Romane die "Wanderhure" abkupfern. Das soll ein Verlag natürlich. Bei unserem Buch handelt es sich aber ganz klar um satirische Kurzgeschichten und nicht um einen historischen Roman. Das steht ja bereits auf dem Cover. Im Fall des Unsichtbar Verlags hatte ich übrigens auch kein Verständnis für den Carlsen Verlag, der dafür gesorgt hat, dass die Kollegen vom Unsichtbar Verlag eine ganze Reihe Mini-Bücher einstampfen mussten, bloß weil die Pixi-Bücher bei Carlsen ebenfalls ein Format von 10x10 Zentimetern haben.

Wie das Oberlandesgericht in der nächsten Instanz entscheidet, ist vollkommen offen. Was tun Sie eigentlich, wenn Sie den Prozess verlieren? Nicht wenige Branchenbeobachter glauben, dass Droemer Knaur auch vor dem Oberlandesgericht Recht bekommt. Wir sind momentan völlig fokussiert auf diesen Prozess und versteifen uns nicht auf Hypothesen, was alles kommen könnte. Vieles hängt vom Urteil ab und davon, wie es begründet wird. Wir gehen davon aus, dass das Oberlandesgericht unserer Auffassung folgt.

Unabhängig vom Prozessausgang: Wird es eine Neuauflage von Julius Fischers Buch geben? Ganz gleich, wie der Titel dann lautet?
Wir werden nachdrucken – so oder so. Das ist klar. Von Fischers erstem Buch [Anm. d. Redaktion: "Ich will wie meine Katze riechen"] haben wir insgesamt 4.500 Exemplare gedruckt. Bei den "Wanderwegen" sind wir zunächst mit 2.000 Exemplaren gestartet. Nun wollen wir nachlegen.