Interview mit Ralf Joest

"Wir sind noch ganz am Anfang der Welle"

16. Oktober 2013
von Börsenblatt
Vegan ist das neue vegetarisch - der Kochbuchmarkt kann sich kaum retten vor Büchern zur komplett tierfreien Küche. Ein Interview mit dem Verleger Ralf Joest  vom Becker Joest Volk Verlag, in dessen Haus die Bücher von Attila Hildmann erscheinen, Deutschlands bekanntesten Vegankoch. 

Wie erklären Sie sich den Erfolg der veganen Küche – und damit auch der Kochbücher?
Vegane Ernährung hat bis vor kurzem ein Schattendasein geführt, weil es kaum leckere Gerichte gab. Mit Attila Hildmann erschienen dann Rezepte, die auch Fleischesser richtig gut finden. Gleichzeitig wurde klar, dass jeder mit veganer Ernährung seine Gesundheit deutlich verbessern und gleichzeitig abnehmen kann. 

Der Kochbuchmarkt wird geradezu überschwemmt von Büchern zur veganen Küche –  ist der Markt nicht längst schon gesättigt?
Der Markt der Menschen, die bisher mit allen anderen Diäten gescheitert sind, ist gigantisch. Mit den Büchern von Attila Hildmann haben sie endlich eine reelle langfristige Chance. Dazu kommen Millionen Cholesterinkranke, Hautkranke, Gelenkkranke und viele andere, denen es mit veganer und giftfreier Ernährung spürbar besser geht. Allerdings gilt das nicht automatisch für alle veganen „Nachahmer“ anderer Verlage. Es gibt inzwischen auch vegane Kochbücher, die keineswegs gesund und ausgewogen sind. Die sind dann eben nur vegan, also tierfrei. Wenn jemand in einem Rezepte z. B. Mett aus Puffreis mit Tomatenmark und Gewürzen nachmacht, ist das alles andere als gesund.

Die vegane Küche ist doch ein sehr enges Thema und gleichzeitig sind manche Rezepte sehr aufwendig. Liegen die Hürden da für die vegane Küche nicht sehr viel höher als für andere Kochbücher?
Zunächst ist die vegane Küche keineswegs besonders aufwendig oder eingeschränkt. Nie habe ich mich selbst abwechslungsreicher ernährt als in meinen eigenen vier veganen Monaten. Als Gewohnheits-Normalesser isst man viel eher immer das Gleiche. Und die Gerichte waren für mich vom Aufwand und Anspruch gut hinzukriegen. Ein Pilzrisotto ist da schon das schwierigste, was mir einfällt. Und Sie können, wenn Sie wollen, 365 Tage im Jahr etwas anderes kochen, ohne sich zu wiederholen.

Wie ist Ihre Einschätzung: Wird die Vegan-Welle weiterhin auf so hohem Niveau bleiben?
Wir sind nach meiner Einschätzung wohl noch ganz am Anfang der Welle. Seit Kurzem wissen wir, dass vegane Ernährung nach Attila Hildmann den Alterungsprozess deutlich verlangsamt. In der gleichen, in verschiedenen Messverfahren abgesicherten Studie wurde zudem festgestellt, dass die Abwehrkräfte deutlich gestärkt werden. Im Moment laufen wissenschaftliche Tests, ob sich die Altersuhr sogar auf diese Weise zurückdrehen lässt, was, wissenschaftlich belegt, möglich und nachweisbar ist. Das Testverfahren dazu ist vor einigen Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. So oder so, das nächste Buch „Vegan for Youth“ ist eine Sensation. Der Vorverkauf liegt schon jetzt weit über den beiden ersten Bestsellern.

Wie setzt sich die Zielgruppe Ihrer Erfahrung nach zusammen?
Wir haben einen genauen Überblick, weil wir viele Tausend ausgefüllte Fragebögen haben. Der Schwerpunkt ist jung und es sind etwas mehr Frauen als Männer. Aber die Kurve ist sehr flach und wir haben Käufer in allen Altersgruppen zwischen 15 und 85. Ganzjahres-Veganer darunter sind keine zehn Prozent. Die meisten wollen abnehmen und ihren Körper wieder ins Gleichgewicht bringen.

Ich kann mir vorstellen, dass die – nennen wir sie mal ‚richtigen’ – Veganer sehr auf ideologische Reinheit achten. Stehen der Verlag und die Autoren da eher unter Beobachtung und unter Rechtfertigungszwang?
Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie vermuten, dass vegane Bücher mehr diskutiert werden. Attila Hildmann lehnt aber jeden Gesinnungsaktivismus ab. Das ist sehr angenehm, weil er Vorbild ist ohne erhobenen Zeigefinger. Tatsächlich gibt es dafür schon mal Kritik aus der streng-veganen Ecke. Die meisten Veganer sehen inzwischen aber eher den Erfolg, den Attila Hildmann für ihre Ziele erreicht hat.

Nimmt der Verlag schon bei der Produktion Rücksicht auf die Prinzipien der Bewegung? Etwa beim Umgang mit Honig, Zucker (beim Raffinieren kann Tierkohle zum Entfärben benutzt werden) oder Wein?
Honig und Zucker kommen in den Büchern nicht in den Rezepten vor. Honig nicht, weil vom Tier, Zucker nicht, weil er nicht zu einer optimalen Ernährung gehört. Wein käme nur zum Kochen vor und nur in Bio-Qualität, natürlich ohne Eiweiß geklärt. Und ansonsten: Wir achten selbstverständlich auf Umweltaspekte bei der Fertigung der Bücher wie z. B. FSC-Zertifizierung.

Was hat Sie im Umgang mit den Kochbüchern und beim Reinschnuppern in die vegane Küche am meisten überrascht?
Mich persönlich haben die Veränderungen in meinem Körper schon nach wenigen Tagen am meisten überrascht. Vegane Ernährung fühlt sich an wie Ganzkörper-Doping. Und dann haben wir alle im Verlag gestaunt, wie lecker das sein kann. Wir haben nämlich jedes einzelne Gericht nachgekocht. Ich selbst mache übrigens nach wie vor vegane Monate. Zudem kaufe ich insgesamt viel mehr Bio als früher.

Gibt es neue Trends im Trend? An welchem ‚veganen’ Projekt wird in Ihrem Haus derzeit  gearbeitet? Was wird die nächste Neuerscheinung sein? (Abgesehen vom neuen Hildmann im November ...)
Gut, eine Prognose: Der Megatrend wird die messbare verjüngende Wirkung veganer Ernährung sein. Es gibt bereits zwei weitere Titel in Planung mit Herrn Hildmann. Sie werden verstehen, dass wir unseren Vorsprung bei den Themen nicht preisgeben wollen.

Mehr zum Thema Vegane Kochbücher und zu vielen anderen Koch-Themen lesen Sie im Börsenblatt Spezial Essen & Trinken, das am 17. Oktober erscheint.