Interview mit René Rudolf (Verdi) zu Volontariaten und Praktika

"Es fehlen klare Regeln"

14. Dezember 2016
von Börsenblatt
Wie steht die Gewerkschaft Verdi zum Mindestlohn? Was erhofft sich der Arbeitnehmerverband vom Schulterschluss mit dem Verein Junge Verlagsmenschen? Antworten von René Rudolf, Bundesfachgruppenleiter Verlage, Druck und Papier bei Verdi.

Welche Auswirkungen hatte die Einführung des Mindestlohns für die Verlage aus Gewerkschaftssicht?
Es gibt jetzt endlich eine klare Haltelinie für die Beschäftigten von Buchverlagen, was die Bezahlung angeht. Außerdem ist es sehr positiv, dass Praktika nicht mehr völlig unkontrolliert vergeben werden, unabhängig davon, wie die Vergütung, die Arbeitsbedingungen und sonstigen Konditionen aussehen. Dieser Wildwuchs ist als Folge des Mindestlohngesetzes spürbar reguliert worden. Es gibt weniger Praktika – das ist die Rückmeldung, wir bekommen, ohne dass ich genaue Zahlen nennen könnte. Auf der anderen Seite sind allerdings vielfach neue Volontariate entstanden als Ersatz für Einstiegspraktika ...

 

Also wurden schlechte Praktika durch schlechte Volontariate ersetzt?
Das kann man sicherlich in manchen Fällen so sagen. Wobei Volontariate in Buchverlagen ja schon vorher selten gut waren, weil es keine Regelungen, geschweige denn einen Tarifvertrag gibt, der Vergütung, Ausbildungsinhalte und dergleichen definiert wie im Journalismus.

 

Warum ist es bis heute nicht gelungen, hier klarere bzw. sogar tarifliche Regeln zu schaffen?
Das liegt im Wesentlichen an der Tarifvertragslandschaft in der Buchbranche allgemein. Dort haben wir ja in den seltensten Fällen überhaupt verpflichtende Konditionen und wenn dann nur in bestimmten Bundesländern oder einzelnen Verlagen. Neben der mangelnden Bereitschaft der Arbeitgeber, daran etwas zu ändern, fehlt uns als Gewerkschaft in diesem Bereich leider auch die Durchsetzungskraft, weil wir in der Branche zu wenige Mitglieder haben. Und letztlich ist es der Personalmarkt selbst: Hier ist so viel Potenzial vorhanden, dass sich für jedes noch so schlechte Volontariat immer jemand finden wird.

 

Was will Verdi neben dem gesetzlichen Mindestlohn dann noch erreichen, um die Situation vor allem für Berufsanfänger zu verbessern?
Gerade in diesem Bereich bin ich seit kurzem sehr optimistisch. Unsere neue, bundesweite Kooperation mit den „Jungen Verlagsmenschen“ wollen wir nutzen, um die Berufseinstiegsbedingungen voranzubringen und klare, vielleicht eines Tages sogar tarifliche Regelungen für Volontariate zu setzen. Das alles bekommen wir nicht bis morgen hin, aber wir sind auf einem guten Weg.

 

Sind es eigentlich eher die großen oder die kleineren Häuser, bei denen Sie noch Überzeugungsarbeit leisten müssen?
Das kann man so nicht sagen, das hängt von verschiedenen Faktoren ab: Welche Kultur herrscht im jeweiligen Verlag? Gibt es einen Betriebsrat und welche Rolle spielt er in Ausbildungsfragen? Wir nehmen allgemein wahr, dass die Buchverlage mittlerweile sehr sensibilisiert sind, was das Thema betrifft. Sie wollen jeden Anschein vermeiden, den Mindestlohn durch „kreative Maßnahmen“ wie zum Beispiel künstlich erzeugte Volontariate zu unterlaufen.