Interview mit Thomas Hopfe, MWV Berlin

"Ich hatte eine klare Nischenstrategie"

8. Mai 2017
von Börsenblatt
Der Markt für Medizinverlage ist eng und wird von wenigen Großen beherrscht. Dennoch bietet er auch Independents Raum, interessante Konzepte erfolgreich umzusetzen. Thomas Hopfe, der vor zwölf Jahren die Medizinisch-Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (MWV) in Berlin gegründet hat, hat dies geschafft.

Waren Sie bei der Verlagsgründung vor zwölf Jahren sicher, dass Sie auf dem Markt Erfolg haben werden?
Manchmal komme ich mir im Nachhinein ziemlich blauäugig vor. Aber nach 14 Jahren in verschiedenen Medizinverlagen kannte ich das Geschäft ziemlich genau. Und dann muss ich ein paar Dinge richtig gemacht haben.

Wie haben Sie es geschafft, sich in diesem umkämpften, von wenigen Giganten beherrschten Markt zu behaupten?
Mit einer klaren Nischenstrategie. Wir haben drei Programmschwerpunkte: Anästhesie, Notfall- und Intensivmedizin, Psychiatrie und Psycho­therapie sowie alles zum Management im Gesundheitswesen. Das sind auch meine persönlichen Kernthemen. Wir arbeiten seit Beginn sehr konzentriert an diesen Themen und Zielgruppen. In jüngster Zeit kommen Publikationen zu gesellschaftlichen und politischen Themen dazu, die uns viel Aufmerksamkeit bringen.

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für jeden Verlag sind die Autoren …
Immerhin haben wir jetzt etwa 4.000 Autoren unter Vertrag! Heute habe ich die Gewissheit, den Autoren auf Augenhöhe zu begegnen. Ich verfüge über ein umfangreiches Netzwerk, und allmählich klopfen die Leute von sich aus bei uns an. Damit Bücher was werden, braucht man aber nicht nur einen – möglichst prominenten – Autor, sondern zunächst ein spannendes und relevantes Thema und ein kluges Konzept.

Wie wichtig ist für Sie das gedruckte Buch?
Das ist immer noch das Medium der ersten Wahl. Dennoch sind wir digital unterwegs: Wir bieten fast alle Titel auch als E-Books an, können Bibliotheken und Unternehmen mit Lizenz-Paketen versorgen und haben sogar eine App mit unseren Notfall-Büchern produziert. Aber das weit überwiegende Geschäft machen wir mit gedruckten Büchern.

Sie arbeiten auch mit Kooperationspartnern, zum Beispiel dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK). Finanzieren die Partner mit?
Den Titel "Gesundheit und Arbeit" zum Beispiel ist im Auftrag der BKK entstanden. Ein anderes Beispiel: Mit der Lufthansa haben wir gemeinsam das "Handbuch Flugmedizin" publiziert. Das haben wir selbst entwickelt, aber die Lufthansa nutzt es in der Kundenkommunikation und gibt es allen Ärzten, die sich bei der Lufthansa für den Notfall registrieren.

Welche Rolle spielt der Buchhandel für den Vertrieb?
Das stationäre Sortiment verliert zunehmend an Bedeutung, ansonsten verkaufen wir über die bekannten Händler wie Lehmanns, Amazon und Thalia, und hier in Berlin auch bei Dussmann. Den Löwenanteil unseres Umsatzes machen wir mittlerweile wohl mit Amazon. Zugenommen hat auch die Bedeutung unseres Direktgeschäftes in unserem Webshop.

Ein Problem kleiner Verlage ist häufig die mangelnde Sichtbarkeit. Was tun Sie für die Außenwahrnehmung?
Die beste Sichtbarkeit erreicht man mit einem spannenden und erfolgreichen Verlagsprogramm! Wir haben vielfältige Kooperationen, die nicht nur in gemeinsamen Buchprojekten, sondern auch in gemeinsamen Veranstaltungen münden. Dort können wir unsere Themen und unsere Autoren nach vorne bringen. Ein Beispiel ist unser aktueller Titel "Rettet die Medizin!". Titel und Autor waren Aufhänger für eine spannende Veranstaltung mit Malik Management in Berlin. Zudem planen wir in unseren neuen Verlagsräumen – immerhin direkt gegenüber der Charité und dem Wissenschaftsministerium – exklusive Veranstaltungen mit unseren Top-Autoren. Außerdem sind wir auf den zentralen Kongressen zu unseren Themen vertreten.

Was sagen Sie zur geplanten Urheberrechtsreform? Wäre Ihr Verlag von den extensiven Urheberrechtsausnahmen betroffen?
Das ist schon eine problematische Entwicklung, wir haben aber die Zeit für eine Anpassung. Einerseits liegt der Schwerpunkt bei uns nicht auf bibliotheksaffinnen Lehrbüchern oder Nachschlagewerken, zum anderen müssen wir herausfinden, wie man aus diesem Problem, das ja alle Verlage betrifft, neue Chancen für uns generieren kann.

Mehr zum Thema lesen Sie im aktuellen Börsenblatt Spezial Fachbuch, das am 4. Mai erschienen ist.