Interview mit Ulrich Störiko-Blume

"Boje spielt Cello und stimmt seine Partituren neu ab"

6. Juli 2010
von Börsenblatt
Zum 1. Juli hat Bastei Lübbe von der VEMAG alle Rechte an dem Kinder- und Jugendbuchverlag Boje übernommen. Über die Hintergründe hat boersenblatt.net mit Boje-Verlagsleiter Ulrich Störiko-Blume gesprochen.
Warum wollte die VEMAG Boje verkaufen?
Störiko-Blume: Vor fünf Jahren hat die VEMAG den Versuch gemacht, in Richtung Jugendbuch im Buchhandel zu expandieren. Dazu hat sie den Boje-Verlag gekauft, und wir haben ihn in dieser Zeit zu einer respektablen Größe im Buchhandel ausgebaut. Aber um nun wirklich eine größere Rolle im Markt spielen zu können, hätte die VEMAG  eine entsprechende Summe investieren müsse. Dazu waren die Gesellschafter letztlich nicht bereit und so haben sie, zwar schweren Herzens, eine unternehmerisch rationale Entscheidung gefällt.

Und Bastei Lübbe ist bereit zu investieren?
Störiko-Blume: Absolut. Bastei Lübbe hat sich sehr genau seine Wachstumsfelder überlegt, und das Kinder- und Jugendbuch ist ziemlich attraktiv.

Die Investionsbereitschaft wird nicht der einzige Grund gewesen sein, sich für Bastei Lübbe zu entscheiden?
Störiko-Blume: Die Verlagsgruppe bietet uns ganz andere Möglichkeiten. Bislang musste Boje ja alle wichtigen Vermarktungsschritte immer mit Partnern machen. Wir hatten keinen eigenen Vertrieb, weshalb wir in den ersten drei Jahren mit dem Aufbau  Verlag als sehr engagiertem Vertriebspartner kooperiert haben, und nach der Krise bei Aufbau sind wir dann zu Lübbe gewechselt. In solch einer Kooperation lernen sich die Partner sehr gut kennen. Wir konnten natürlich kein eigenes Taschenbuchbuchprogramm anbieten - das haben wir bei Fischer Schatzinsel verankert , der Beginn einer erfolgversprechenden Kooperation. Doch bei Lübbe /Baumhaus gibt es eigene Taschenbuch -Pläne. Ähnlich mit der Rechteverwertung beim Hörbuch . Wir hatten eine Kooperation mit DAV, das geht nun auch bei Lübbe Audio. Letztlich wird jetzt vieles leichter , und der Buchhandel bekommt alle Erscheinungsformen aus einer Hand.

Ist Bastei Lübbe als Gesellschafter eingestiegen, oder ist nur die Boje-Hülle übernommen worden?
Störiko-Blume: Bislang war Boje eine eigenständige GmbH. Nun haben wir einen Asset-Deal gemacht, das heißt Bastei Lübbe hat alle Rechte inklusive der Namens- und Markenrechte an Boje erworben, aber nicht die GmbH; die bleibt bei der VEMAG. Boje wird, wie bei vielen Verlagsgruppen üblich, nun als eigener Verlag unter dem Dach von Bastei Lübbe weitergeführt  - Imprint ist so ein technisches Wort.

Welche blühenden Landschaften kommen nun - was haben Sie mit Boje vor?
Störiko-Blume: Wir wollten schon von Anfang an kein netter, kleiner, spezialisierter Kinderbuchverlag sein, sondern ein Vollprogrammanbieter  mit Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch. Jetzt haben wir zum Beispiel gerade mit dem Pappbilderbuch angefangen, sind mit neuen fotografischen Bilderbüchern gestartet. Und wir werden weiter ausbauen. Die nächsten Schritte werden wir gemeinsam mit Bastei Lübbe entwickeln. Ideen gibt es schon.

Bastei Lübbe ist im Jugendbuch seit kurzem Mehrheitsgesellschafter bei Baumhaus, der mit "Gregs Tagebücher" Riesenerfolgen verbuchen kann. Haben Sie keine Angst, dass Boje die zweite Geige spielt? Und wie will sich Boje inhaltlich von Baumhaus unterscheiden?
Störiko-Blume: Um in dem Orchester-Bild zu bleiben: Baumhaus spielt Geige, Boje spielt Cello. Auch in belletristischen Häusern werden verschiedene Verlage geführt, die Verlagsgruppe Oetinger betreibt einige Kinderbuchverlage, die sich teilweise ähnlich sind, teilweise stark unterscheiden. Jetzt, wo wir unter einem Dach sitzen, werden wir die Partituren für unsere Auftritte neu aufeinander abstimmen. Bei Baumhaus heißt es "Gutes für Kinder", also: Lesen macht Spaß. Der Boje-Slogan lautet "Bücher für neugierige Kinder", also: Lesen macht schlau. Beide wissen, dass das eine nicht ohne das andere geht.