Interview zum Deutschen eBook Award 2017

"Wir dürfen nicht nachlassen!"

17. Oktober 2017
von Börsenblatt
Auf der Buchmesse wurde der Deutsche eBook Award vergeben. Ein Gespräch zum Preis mit Vedat Demirdöven (Foto), Organisator des Deutschen eBook Awards, und Dorothea Martin, CCO der Plattform oolipo.com, die den Preis in der Sparte Fiction erhalten hat.

Herr Demirdöven, in Analogie zum Wein brachte Steffen Meier seine Sicht auf den Award 2017 auf den Punkt: "Wir hatten schon bessere Jahrgänge." Hat er recht?
Vedat Demirdöven: Wir hatten berechtigte Hoffnungen, viele Einreichungen zu bekommen, und quantitativ hat das auch gut geklappt – es waren round about um die hundert. Aber wir mussten, gerade in der Sparte Nonfiction, wo es nur zwei Nominierte gab, eine gewisse Trägheit konstatieren. Man ist in das Business reingekommen, die Prozesse sitzen, man macht 1:1-Umsetzungen, was man im Printprodukt hat, versucht man, als E-Book zu adaptieren...

Eher das, was Sie nicht prämieren wollen?
Demirdöven: Eigentlich nicht. Wir sind ein Design- und Funktionspreis. Und die elektronischen Devices bieten ganz andere Möglichkeiten, die Dinge darzustellen, als es das Papier konnte. Aber vielleicht sind wir als Branche ein bisschen müde geworden – deshalb Steffens Weckruf, 2018 wieder mehr Gas zu geben. Wir dürfen nicht nachlassen!

Haben Sie eine Erklärung für das – zumindest in Teilen – stattfindende Business-as-usual?
Demirdöven: Das ist so ein Phasen-Ding. Vor ein paar Jahren gab es natürlich sehr viel mehr Innovationen, da hat man probiert, experimentiert, vieles war brandneu. Dann kommt man in die Schiene, es läuft gerade durch, man setzt es in den Hausprozessen, in den Abteilungen um. Und das haben wir dieses Jahr gespürt.

Letztes Jahr gab es einen Sonderpreis für gelebte digitale Innovation, heuer stand Barrierefreiheit im Fokus. Warum?
Demirdöven: Wir sind Smart-User, wir haben Alexa, Siri und Co. im Haus, da kommt man schnell auf die Idee, dass Barrierefreiheit kein Thema mehr ist. Ein Trugschluss! Bei meinem Besuch in Leipzig in der Deutschen Zentralbibliothek für Blinde habe ich zum ersten Mal verstanden, dass es eine Koexistenz gibt zwischen Mitteln, die eine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen – und auf der anderen Seite Brailleschrift zum Lesen. Das sind zwei verschiedene Kanäle.

Wie kommt es, dass ein englisches Projekt den Deutschen eBook-Award abgeräumt hat?
Demirdöven: In dem Fall sind wir international geworden und haben dem Brexit etwas entgegengesetzt (lacht). Es gibt auch Ideen, den Award im kommenden Jahr zu öffnen, um einfach den Veränderungen im Markt gerechter zu werden. Hier war es so, dass wir an diesem tollen Projekt nicht vorbeikamen. Es gab eine Ausschreibung, wir haben natürlich gescoutet – in diesem Fall hat einfach alles gepasst.

Frau Martin, Sie haben mit oolipo im Bereich Fiction den Award abgeräumt. Klaus Kluge, Vorstand Ihres Hauptinvestors, hat bei der Preisverleihung eifrig fotografiert. Welche Rolle spielt die Plattform im Bastei Lübbe-Universum?
Dorothea Martin: Ich denke, das wird sich finden, denn die Strategie von oolipo hat sich im Lauf der letzten anderthalb Jahre noch mal geändert. Ich bin seit März 2016 dabei, ursprünglich als Head of Content, verantwortlich dafür, das Format mitzuentwickeln, die Texte umzusetzen, multimedial und interaktiv aufzubereiten. Jetzt, nachdem das Format steht, haben wir die Tools entwickelt, damit auch Autorinnen und Autoren, Filmemacher, andere Künstler, in diesem Format schreiben und selbst entwickeln können. Das heißt, was wir jetzt anbieten, ist eine offene Plattform für alle – user generated content, wenn man so möchte. Das ist seit gestern in der Beta-Version live.

Das ausgezeichnete Projekt ist aber noch anders entstanden?
Martin: Hier war’s anders: Das war eines der Projekte, wo wir den Text bekommen haben, um das multimediale Format erst aufzusetzen. Der Autor hatte aber von Anfang an schon die Idee, das Ganze als WhatsApp-Geschichte anzulegen – genau die Art von "Chat Fiction", die gerade unheimlich populär ist. Ein interdisziplinäres Team aus Technikern, Art Directoren und der verantwortlichen Projektmanagerin Solveig Pobuda hat das dann umgesetzt.

Verleiht die Auszeichnung, um einen Brausehersteller zu zitieren, Flügel?
Martin: Für uns als junges Unternehmen, das auf der Suche nach weiteren Investoren ist, ist das natürlich ein toller Erfolg.

 

Vedat Demirdöven, seit 20 Jahren in der Medienwelt verwurzelt und heute für die digitalen Produkte von Kiepenheuer und Witsch (Köln) verantwortlich, gehörte 2014 und 2015 der Jury des Deutschen eBook Awards an, seit 2016 hat er die Organisation der Veranstaltung übernommen.

Dorothea Martin gründete den Verlag Das wilde Dutzend und die Agentur imagenary friends. 2015 wechselte sie als Leiterin Digitale Medien zu Egmont, heute ist sie CCO der Plattform www.oolipo.com.

Alle Preisträger des Deutschen eBook Award 2017 finden sich hier.