Jahresbestseller

Barometer des Erfolgs, nicht der Kultur

5. Januar 2012
von Börsenblatt
Die Bestseller des vergangenen Jahres kamen annähernd zur Hälfte aus der Verlagsstadt München. Und es zeigte sich, dass offenbar eine gewisse Unternehmensgröße die Wahrscheinlichkeit erhöht, einen Bestseller zu kreieren. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Die Besten der Besten aus der jährlichen Buchproduktion gehören nicht notwendig zu den meistverkauften Titeln. Aber auf Bestseller – finden sie nun bei Kritikern Gnade oder nicht – kann kein Verlag verzichten, der ein breitgefächertes, anspruchsvolles Programm finanzieren will. Wie man weiß, lässt sich der Aufstieg in die Buchcharts nicht wie eine Gebirgsexpedition planen (und selbst diese scheitert nicht selten vor dem Gipfel). Immer wieder gibt es Flops oder unkalkulierbare Überraschungserfolge wie "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" von Jonas Jonasson. Kein Zufall ist es allerdings, dass dieser Titel aus einem Konzernverlag stammt – dem jungen Random-House-Imprint Carl's Books. Ein Blick in die Bestseller-Jahresstatistik zeigt, dass fast die Hälfte der Toptitel des vergangenen Jahres aus München kommt, wo unter anderen Random House und dtv sitzen. Eine gewisse Unternehmensgröße erhöht offenbar die Wahrscheinlichkeit, Bestseller zu landen.

Im Falle von dtv kommt aber noch ein anderer Faktor hinzu: das Buchformat. Dass allein neun Belletristiktitel aus dem Münchner Verlagshaus auf den vorderen Plätzen vertreten sind, und Jussi Adler-Olsens Buch "Erlösung" der meistverkaufte Titel 2011 war, ist neben dem Talent der Autoren und Programmmacher auch den gut gemachten, bezahlbaren Paperbacks zu verdanken. Ein Beispiel, dem andere Verlage wie Lübbe folgen werden. Das Hardcover mit Schutzumschlag verliert an Beliebtheit, hält sich am ehesten noch im Sachbuch.

Schaut man sich die Genres an, so dominieren in der Belletristik Crime, Fantasy und Sex; im Sachbuch werden Biografien und Politiker-Bücher gern gelesen – und bei den Ratgebern geht alles gut, was auf bewusstes Essen abzielt. So gesehen spiegeln die Bestseller des Jahres drei Grundbedürfnisse: die Lust auf gute Unterhaltung, die Neugier auf große, prominente Geschichten – und den Appetit auf unverfälschte Nahrung. Ein Barometer für die Kultur sind sie nicht – und wollen es auch nicht sein.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag "Die Besten der Besten" im aktuellen Börsenblatt, Heft 1 (S. 16/17).