Jahreshauptversammlung des LV Berlin-Brandenburg

Mitgliederschwund und Innovationsreichtum

24. Mai 2016
von Börsenblatt
Bei der Hauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg am 23. Mai wurde Bilanz gezogen: Der Mitgliederschwund belastet die Verbandskasse. Hoffnung machen innovative Ideen, öffentliches Engagement und mutige Neugründungen.

Weniger Mitglieder
Die Mitgliedszahlen des Börsenvereins gehen seit Jahren immer weiter zurück, mithin auch die der einzelnen Landesverbände. Die Hauptstadt und das Brandenburger Umland machen da keine Ausnahme. Um 10.000 Euro sind die Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge gesunken. Neun Aufnahmen stehen 22 Austritte gegenüber.

Bei der Hauptversammlung des Landesverbands Berlin-Brandenburg im Magnus Haus gegenüber der Großbaustelle auf der Museumsinsel überwog trotzdem das Positive. Der neue Vorsitzende des Landesverbands Kilian Kissling wurde geradezu enthusiastisch: „Wir sind der zweitkleinste Landesverband (nach Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen), aber einer der innovativsten und aktivsten.“ Kissling, der den Vorsitz seit einem Jahr innehat, hob besonders die vielen Veranstaltungen hervor, hier zeige sich „die besondere Handschrift des Verbands“. Die Premieren-Kampagne #verlagebesuchen zum Welttag des Buches, bei der Verlage ihre Türen für interessierte Besucher öffneten und so illustrierten, was Verlage leisten, sei die richtige Antwort auf „für viele zu abstrakte Fragestellungen“ gewesen.

Ob der Laie die Diskussion um die Ausschüttungen der VG Wort begreift? Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang versuchte in Berlin jedenfalls sein Bestes, den Gang der Debatte verständlich nachzuzeichnen, musste seine Zuhörer jedoch gleich mehrfach damit vertrösteten, dass manches „selbst für Juristen schwer zu verstehen“ sei. Unter Politikern jedenfalls sei immerhin „die Erkenntnis gereift, dass gesetzlich etwas getan werden muss“.

Analog lebt: Neugründungen in Berlin

Was Engagement und Begeisterung ausrichten können, das führten in Berlin vier Unternehmensgründer vor. „Totgesagte leben länger – über die Renaissance von Kino, Spielen und Journalen“ – war die Vorstellungsrunde überschrieben. Kürzer hätte es auch heißen können: „Die Renaissance des Analogen“. Britta Wolf jedenfalls stellte ihre Steglitzer Buchhandlung Morgenwelt vor, die zum Anlaufpunkt für Fans von Fantasy, Abenteuer und Spielen – mit einer internationalen Community – geworden sei. Der Einsatz dafür ist groß: Zu drei vier Spieleabenden pro Woche lädt Wolf ein, die zusammen mit ihrem Mann selbst auch Spiele entwickelt.

Der Designer Mark Kiessling und die Buchhändlerin Jessica Reitz haben in der Auguststraße in Berlin Mitte 2008 „Do you read me?!“ gegründet – ein 35 Quadratmeter großes Spezialgeschäft für internationale Magazine mit kleiner Buchabteilung. Die beiden waren Neulinge in dem Geschäft und immer wieder neu überrascht: „Der Magazinhandel funktioniert ganz anders als der Buchhandel“, hat Reitz gelernt: Die Gewinnmargen sind klein, ein Informationssystem existiert nicht, die Grossisten geben gemeinhin die Auswahl vor. Doch die beiden Newcomer haben sich davon nicht beeindrucken lassen: Die Mischung „aus Bekanntem und Unbekanntem“ in ihrem Geschäft bestimmen sie längst selbst, häufig geben Kunden von New York bis Tokyo Tipps. Werbegelder haben die beiden nicht ausgegeben. Ihre Parole war von Beginn an: „Wir gehen zu den Lesern.“ – Das geschieht mit Satellite Stores, wie im bekanntesten Berliner Ausstellungsort für Fotografie, C/O Berlin, oder Pop-Up Stores auf diversen Messen, etwa in Basel. Doch alles klappte nicht: Der Reading Room in der Potsdamer Straße musste nach zwei Jahren wieder geschlossen werden. „Veranstaltungen mit Modejournalen waren erstklassig besucht, aber wir wollten auch anspruchsvollere Themen diskutieren“, so Mark Kiessling.

Kinos schließen – auch in Berlin. Dieses wird gerade gebaut: „Wolf Kino“ soll im Sommer in Neukölln mit zwei Kinosälen und einem Café eröffnen. Das Kino am Ende – daran glaubt Verena von Stackelberg, die lange in einem Kino in London gearbeitet hat und in der Filmszene gut vernetzt ist, ganz und gar nicht. Sie will „besondere Filme“ zeigen, solche Streifen, die es gemeinhin eigentlich gar nicht nach Deutschland schaffen – und so die alte Idee des Programmkinos neu mit Leben erfüllen. Die engagierte Filmspezialistin will das Kino als Begegnungsstätte etablieren. In der Weserstraße soll man etwa auch selbst Filme drehen und sich in Workshops austauschen können. Stackelberg hat für ihr ehrgeiziges Projekt solvente Verbündete aus der Filmbranche gefunden, 50.000 Euro kamen zudem über eine Crowdfunding-Kampagne zusammen. Doch sie würde auf diese Art nicht noch einmal Geld einsammeln, gestand sie. „Es war ein wahnsinniger Kraftakt. Ich habe vier Monate lang Tag und Nacht nichts anderes getan“, sagt sie. Man müsse sich selbst anbieten, verkaufen, das sei nicht leicht. „So etwas macht man vielleicht nur ein Mal im Leben.“ Gelohnt jedenfalls hat es sich.

Wahlen beim Landesverband Berlin-Brandenburg

Gewählt wurde auch in Berlin – für den Wahlausschuss: Olaf Carstens, Britta Jürgs, Ruth Klinkenberg und Heike Röminger; für den Satzungs- und Rechtsausschuss: Thomas Emig, Florian Simon und Karin Seidel; als Kassenprüfer: Sebastian Oehler und Elisabeth Straßmeir; für den Beisitz: Mario Pschera.