Jahrestagung der Ratgeberverlage

Guter Rat vom Sortiment

7. Juni 2013
von Börsenblatt
Was Ratgeberverlage anders und besser machen könnten? Buchhändlern fällt da einiges ein – wie eine Podiumsdiskussion in Berlin zeigte. Die Reaktion der Verlage: Spontan beschlossen sie, den Handel künftig im Tagesgeschäft stärker zu unterstützen. Eine neue Arbeitsgruppe hält die Fäden in der Hand.
Gedruckte Ratgeber erleben derzeit einen Höhenflug. Nach Jahren im Minus verbucht die Warengruppe seit Mitte 2012 wieder Zuwächse – zuletzt, im April 2013, ging es laut Branchen Monitor Buch noch einmal um 5,6 Prozent nach oben. Dass Verlage diesen Aufwind für sich nutzen wollen, ist plausibel. Und plausibel ist auch, dass sie dafür das stationäre Sortiment brauchen: Letztlich zeigen sich die Veränderungen, die für das Segment typisch sind, nirgendwo besser als dort.

Ratgeber haben in puncto Haptik, Optik und Gestaltung der Inhalte insgesamt deutlich aufgeholt, sie wirken wertiger denn je und verkörpern heute vielfach eine Nutzwertästhetik, die ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. Das hat vieles verändert – auch den Maßstab, den Ratgeberverlage an ihre Jahrestagung anlegen: Diesmal standen der gedruckte Ratgeber und der Vertrieb in Richtung Buchhandel im Mittelpunkt des Geschehens, während die Digitalisierung (das große Thema der vergangenen Jahre) etwas aus dem Fokus rückte.

Buchhändler zu ihrer Jahrestagung einzuladen, ist nicht gerade typisch für Ratgeberverlage – doch in diesem Jahr sind sie von diesem Muster abgewichen: Schon Monate im Voraus hatte der Arbeitskreis Ratgeberverlage (AkR) drei Buchhändler nach Berlin eingeladen, um von ihnen zu erfahren, welche Chancen sie für gedruckte Ratgeber im stationären Sortiment sehen. Gekommen waren Carola Markwa (Buchhaus Lehmanns, Hannover), Olaf Geyer (Wittwer, Stuttgart) und Joachim Wrensch (Graff, Braunschweig).

Was Buchhändler empfehlen: individuelle Aktionen, modernes Layout, punktgenaue Informationen

Die Podiumsdiskussion, moderiert von Börsenblatt-Redakteurin Tamara Weise, machte zunächst eines klar: Der Buchhandel mag Ratgeber, setzt sich für sie ein und kann hier auch Zuwächse verbuchen – würde sie aber wahrscheinlich noch mehr mögen, wenn Ratgeberverlage es schafften, ein paar Dinge zu verändern. Beispiele:

  • Vertreter sollten sich besser auf ihren Besuch in der Buchhandlung vorbereiten, besser Bescheid wissen und auch in der Lage sein, mit der Buchhandlung individuelle Aktionen zu entwickeln – keine von der Stange. "Was können wir gemeinsam machen?": Diese Frage sollte deutlich mehr Gewicht bekommen, empfahl Carola Markwa. Der Außendienst könne ein ein wichtiger Motor für Verlage sein, so Markwa – "gerade im mittelständischen Buchhandel, der niemand anderem seinen Einkauf überlassen will".
  • Joachim Wrensch hat gute Erfahrungen damit gemacht, Ratgeber auch mal auf den besten Plätzen im Laden zu reservieren – direkt am Eingang. "Solche Aktionen bringen Umsatz für beide Seiten“, meinte er. Generell: Mitmach-Aktionen (Backen, Kochen, Basteln, Whisky- oder Weinprobe etc.) im laufenden Betrieb kämen besser an als Frontal-Vorträge nach Ladenschluss.
  • Geyer stimmte beiden zu, ihm war aber auch noch ein anderes Thema wichtig: die Präsenz von Ratgebern in den Medien. Sie spiele "eine wichtige Rolle", argumentierte Geyer – hier könnten Verlage durchaus noch "mehr Gas geben".
  • Wenn die Nachfrage nach einem Titel kurzfristig anzieht, etwa weil der Autor einen vielbeachteten Auftritt in einer Talkshow hinter sich gebracht hat, wünschte sich insbesondere Wrensch neue Routinen in Ratgeberverlagen – um lieferbar zu bleiben.
  • Aus Sicht der drei Buchhändler haben noch nicht alle Verlage in puncto Gestaltung ihre Hausaufgaben gemacht. Da gebe es nach wie vor ein gewisses Gefälle, sagten sie. "Kunden sind verwöhnt durch sie Optik", meinte etwa Wrensch. Und empfahl: "Machen Sie Ihre Bücher so bunt, so aktuell, praxisnah und vielfältig wie möglich –  steigern Sie die optische Verkäuflichkeit Ihrer Bücher." Sein Argument: Ein Buch zu einem Trendthema müsse eben auch tendrig und innovativ aussehen.
  • Ihre eigene Einkaufsentscheidung wollen die Buchhändler aber nur bedingt von der Optik abhängig machen. Wichtiger ist nach ihrer Aussage der Faktor: Preis-Leistungsverhältnis. Zumindest Markwa ließ zudem erkennen, dass sie durchaus auch zu höheren Preisen tendiert. "Ich mache mich lieber für ein Buch stark, dass 20 Euro kostet", sagte sie. "Es ist für uns wichtig, schöne und hochwertige Produkte zu anbieten zu können."
  • Nachholfbedarf sehen Markwa, Geyer und Wrensch auch bei der Informationspolitik. Besonders kleinere und mittlere Sortimente sollten sie besser unterstützen – zumal es ja bei Ratgeber keine Leseexemplare gebe. "Da wird es schwierig, alle wichtigen Informationen zu bekommen", so Markwa. Kein Buchhändler wolle blind einkaufen müssen, brauche deshalb mehr Informationen zum Buch und zum Autor, betonte sie. "Ich möchte keine Leseexemplare im Ratgeberbereich einführen, aber ich glaube, man sollte noch einmal darüber nachdenken, welche Tipps man als Verlag geben könnte, um Einkaufsentscheidungen zu unterstützen."
  • Damit verbunden ist das Dauerthema Vorschau. Als Arbeitsmittel sei sie unersetzlich, meinte zum Beispiel Geyer – nur würde es vieles leichter machen, wenn Verlage in ihren Texten häufiger in Tiefe gehen würden. Besonders Markwa rief die Verlage außerdem dazu auf, dem Wunsch nach Opulenz Grenzen zu setzen. "Eine achtseitige Präsentation eines Gartenbuches bringt mich nicht dazu, eine Palette zu bestellen", stellte sie klar. Was ihr viel wichtiger sei: Schnell zu erkennen, an welche Titel Verlage glauben. "Ich will nicht alles briefmarkengroß haben und dann würfeln müssen, wo ich Stapel bilde."
  • Um den Nachbezug von Titeln zu verbessern, empfahlen die Buchhändler, sie künftig aktueller und umfassender zu informieren – etwa über Pressetermine und Bewegungen im Absatzranking. Man könne seine Augen nicht überall gleichzeitig haben, betonten sie unisono. Einmal im Quartal zu informatieren, welche 20 Titel sich gerade am besten verkaufen, könne da Abhilfe schaffen.       

Die Antwort der Verlage: neue Steuerungsinstrumente für das Tagesgeschäft

Ratgeberverlage – insgesamt waren rund 40 bei der AkR-Tagung vertreten – nehmen diese Anregungen nicht auf die leichte Schulter genommen. Noch während vorn diskutiert wurde, schalteten sie sich ein, die Podiumsdiskussion bekam Workshopcharakter. Michael Wieser, seit Anfang Mai Geschäftsführer des Sportverlags Meyer & Meyer, nutzte die Gelegenheit spontan zu einem Vorstoß: Er sehe für Ratgeber ("ein grundsolides Thema") im Buchhandel riesen Chancen, betonte er – wisse aber auch, dass die unternehmerischen Steuerungsinstrumente dort notgedrungen oft mangelhaft wären. Hier wolle er gern dazu beitragen, Abhilfe zu schaffen: im Rahmen einer neuen Arbeitsgruppe.

Wieser, einst bei der Mayerschen im Dienst, formulierte seinen Vorschlag wie ein Plädoyer – das sein Ziel nicht verfehlte: Dass der AkR eine Arbeitsgruppe einrichtet, die den Buchhandel im Tagesgeschäft hilft, war innerhalb von Minuten beschlossene Sache. Fünf Verlage, darunter große wie kleine, erklärten sich sofort bereit, Wieser bei seinem Plan zu unterstützen. Bis zum nächsten Treffen, das traditionell am Tag vor Beginn der Frankfurter Buchmesse stattfinden wird, wollen sie erste Ideen sammeln.

"Kooperation ist das Wort des Jahres"

Für den neuen Sprecherkreis, bestehend aus Monika Schlitzer (Dorling Kindersley), Christof Klocker (Gräfe und Unzer) und Julia Graff (Hädecke Verlag), war das eine schöne Bestätigung ihrer Strategie. Schon zum Auftakt hatte Schlitzer betont, wie wichtig ihr mehr Zusammenarbeit ist. Kooperation sei das Wort des Jahres, betonte sie – das gelte in alle Richtungen: zwischen Verlagen und auch zwischen Verlagen und dem Buchhandel. Die Jahrestagung des AkR fand diesmal am 4. und 5. Juni in Berlin statt, in den Räumen der Stiftung Warentest.