Joachim Merzbach über Chancen im Reisesegment

Reise – da geht noch mehr!

6. April 2017
von Börsenblatt
Viele Buchhändler fokussieren sich beim Einkauf fürs Reisesegment ausschließlich auf die Konditionen der Verlage. Doch das greift zu kurz, wie Betriebsberater Joachim Merzbach vorrechnet.

Rabatt ist nicht alles! Um diese These aufrechterhalten zu können, muss eine Vielzahl von Daten in der Buchhandlung vorliegen – und für entsprechende Transparenz sorgen: die Umsatzzahlen nach Warengruppen, die Inventurwerte, die Handelsspannen, aber auch die Regalmeterverteilung sowie möglichst genaue Kenntnisse über das "Durchlaufgeschäft". Dies gilt natürlich für alle Warengruppen. Schaut man sich für die Warengruppe 3, das Reisesegment, die Benchmarks aus "Buch und Buchhandel in Zahlen 2016" an, so er­geben sich folgende Erkenntnisse:

Der Sortimentsanteil Reiseliteratur liegt bei nahezu allen Umsatzgrößenklassen bei nur rund vier Prozent des Gesamtumsatzes, und damit auf Platz 7, nach Belletristik, Kinder- und Jugendbuch, Schule und Lernen, Non-Book, Fachbücher Wissenschaft und Sachbuch. Die Regalmeterflächen für Reise bewegen sich in einer Buchhandlung aber häufig deutlich über der Vier-Prozent-Marke. Wird hier Platz verschenkt? Geht in dieser Warengruppe mehr?

Bei der Suche nach Antworten hilft eine Flächen-/Umsatzanalyse weiter, die in Form einer Excel-Datei schnell zu bewerkstelligen ist. Neben den Umsatzzahlen nach Warengruppen werden entsprechend die Inventurwerte zugeordnet. Durch die Aufnahme der Regalmeter ergeben sich weitere interessante Hinweise, etwa Flächen-/Umsatzvergleich, Lager-umschlagsgeschwindigkeit, Umsatzleistung nach Regalmetern. Die Betrachtung der Umsatzleistung pro Regalmeter (laufender Regalboden) erlaubt dem Buchhändler zusätzlich, sein Sortiment nach Renditegesichtspunkten zu optimieren.

Beim Flächen-/Umsatzvergleich in einer Buchhandlung ergibt sich, dass bei der Warengruppe 3, Reise, dem Flächenanteil von fast 13 Prozent ein Umsatzanteil von nur ca. neun Prozent gegenübersteht. Dies führt zu verschiedenen Überlegungen:

  • Stimmt der Standort innerhalb der Buchhandlung? (Welche Warengruppe erhält die 1-a-Lage, Reise als Zielkauf in eine 2-a-Lage?)

  • Wurden die Titel optimal präsentiert? Würden sich andere Präsentationsformen eher anbieten?

  • Ist die Sortimentszusammenstellung richtig? Hier geht es dann schon in strategische Entscheidungen hinein.


Dieses kritische Hinterfragen wird zusätzlich bestimmt durch eine "angemessene" Lagerumschlagsgeschwindigkeit. Unterstellen wir mal, dass die Warengruppe 31 (Reiseführer) in unserem Fallbeispiel nur auf eine Lagerumschlagsgeschwindigkeit von 2,4 kommt. Liegt das nun am ungünstigen Standort, an der nicht optimalen Präsentation oder an der viel zu großen Warenmenge? Geht man davon aus, dass eine "gute" Drehzahl im Reisesegment bei 4,0 liegt, dann  müsste diese Warengruppe in der Beispielbuchhandlung deutlich abgebaut werden.
 
Die Lagerumschlagsgeschwindigkeit hilft den Buchhändlern zu erkennen, ob ihr Lager "stimmt", sagt ihnen aber am Ende nicht, ob sich eine Warengruppe, die hier schlechter abschneidet, dann auch weniger Rendite bringt. Aus diesem Grund wird zusätzlich die Handelsspanne der jeweiligen Warengruppe betrachtet. Eine korrekte Aussage lässt sich nur dann treffen, wenn man Handelsspanne und Lagerumschlagsgeschwindigkeit kombiniert, also die Warenlager-Rentabilitätskennziffer ermittelt.

Die Ausrichtung des Sortiments auf nur wenige Anbieter (Verlage) im Bereich Reise mit durchaus komfortablen Rabatten und großzügigen Valutafristen lässt schnell vergessen, dass kleinere Anbieter, auch mit Nischenprodukten, durch häufiger wechselnde Angebotsmöglichkeiten und bessere Drehzahlen renditemäßig punkten können. Fazit: Nicht nur die Rabatte betrachten – die Kombination macht's!

Joachim Merzbach ist seit über 20 Jahren Betriebsberater für Verlage und Buchhandlungen. Sein Credo: ganzheitliche Unternehmensberatung.