Jugendbuchverlage

Signale an die Käufer

13. Juni 2017
von Börsenblatt
Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj hat in Berlin getagt: Mehrsprachige Kinderbücher und Preisstagnation waren die beherrschenden Themen der Jahreshauptversammlung im Berliner Ullstein-Haus.

Die im vergangenen Jahr auf der Jahreshauptversammlung eingerichtete AG Mehrsprachigkeit berichtete von ihrer Arbeit. „Es geht nicht um Assimilation, sondern um ein besseres Verständnis der Kulturen“, betonte Angelika Schaack von der Hörcompany. Eine Überlegung war, Kita-Boxen als Fortführung des Bundesprogramms "Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" des Bundesfamilienministeriums anzubieten, womit auch eine finanzielle Unterstützung in Betracht gekommen wäre. Allerdings sei in Gesprächen mit dem Ministerium klar geworden, dass dort der Fokus auf dem Erlernen der deutschen Sprache liege. Aktuelle Idee der AG sei, Kindergärten und Bibliotheken eine Kiste mit 20 von unabhängigen Pädagogik-Professorin ausgewählten Titeln zu verkaufen, dazu gebe es eine günstige Softcover-Version der Bücher ohne Text, die von den Eltern erworben werden könnte. Dazu soll es auf den Seiten der Verlage kostenlose Downloads mit der jeweiligen fremdsprachlichen Übersetzung sowie Bastelanleitungen etc. geben. Um die Texte in den 15 in Deutschland am häufigsten anzutreffenden Fremdsprachen zur Verfügung zu stellen, rechnet die AG Mehrsprachigkeit mit Übersetzungskosten von rund 250.000 Euro. Interessant könnte sein, ein EU-taugliches Modell zu wagen; entsprechende Fördergelder könnten den Anschub des Projekts unterstützen.

Alles wird teurer, Bücher nicht

Ein weiteres Thema war die Preisstagnation der Buchpreise seit Einführung des Euro sowie die 95 oder 99-Cent-Beträge. Während in den vergangenen Jahren die Kinopreise um 17, Molkereiprodukte um 29, Personalkosten um 27 und Energiekosten um 29 Prozent gestiegen sind, hat es bei Büchern kaum Preiserhöhungen gegeben. Heinrich Riethmülller, der nicht in seiner Funktion als Vorsteher, sondern als Chef der Osianderschen Buchhandlung gekommen war, erinnerte sich, dass vor der Euroeinführung der Bestseller „Der Medicus“ 45 DM gekostet habe: „Heute kostet ein Roman in dieser Größenordnung um die 20 Euro, bei den Sachbüchern sieht es ähnlich aus. Man kann nicht behaupten, dass wir zu teuer sind.“ Fest stehe auch, dass die Preisbindung keinesfalls zu teureren Büchern geführt haben, wie Kritiker dies vorher befürchtet hatten. Für das Kinderbuch interessant: Die meistverkauften Kinderbuchbestseller auf der Spiegel-Bestsellerliste liegen mit einer einzigen Ausnahme alle unter zehn Euro.

 

Rege diskutierten die Verleger mit dem Buchhändler darüber, dass Kunden oft keine genauen Preisvorstellungen bei einem Buch haben. Thienemann-Verlegerin Bärbel Dorweiler sagte, dass es im Verlag viele Überlegungen darüber gebe, wie der optimale Preis aussehen solle. „Immer wieder taucht das Argument auf, dass das Buch als Geschenk für den Kindergeburtstag nicht über zehn Euro kosten soll. Und obwohl die Bücher nachweislich nicht teurer geworden sind: Die Außenwahrnehmung durchaus gutverdienender Leute ist eine andere. Die fragen: Warum sind denn die Bücher so teuer?“ Auch von der Edition bilibri hatte gefragt: „Würde man aufhören, Bücher zum Kindergeburtstag zu verschenken, wenn sie mehr kosten würden? Vielleicht fällt es dann erst den Käufern auf, dass die Bücher vor 15 Jahren auch schon 10 Euro gekostet haben.

Mythos vom teuren Buch

„Eigentlich stoßen wir auf lauter Mythen: Es ist nicht zu beweisen, dass keine Bücher mehr zum Kindergeburtstag verschenkt würden, wenn sie mehr als zehn Euro kosten würden“, entgegnete Petra Albers von Beltz & Gelberg. „Man kann auch hochpreisige Bücher gut verkaufen, das haben wir immer wieder erlebt. Häufig stehen wir aber wie die Kaninchen vor der Schlange und schauen erstmal, keiner möchte der Erste sein.“ Schwellenpreise seien letztlich mentale Erfahrungen in unseren Köpfen, meinte Riethmüller. Romane von Bastei Lübbe oder Diogenes für über 20 Euro liefen ja gut.

Feststehe, so Riethmüller, dass der Kinderbuchmarkt ein sensibler Bereich sei – „de facto sind die Neuerscheinungen im Kinderbuchbereich um 1,72 Prozent billiger als im Vorjahr.“ Jan Weitendorf von Woow-Books merkte an, dass er kein Buch unter zehn Euro anbiete, Andrew Rushton ergänzte, dass bei NordSüd im Schnitt die meisten Bücher 15 Euro und mehr kosteten, das müsse man wegen der generell höheren Lebenshaltungskosten in der Schweiz auch entsprechend kalkulieren.

Der Eindruck der „teuren Bücher“ würden verstärkt durch „Gebrauchtbuchhändler, die in Windeseile brandneue Bücher zum halben Preis anbieten“, merkte Riethmüller an. Selbstkritisch müsse er sagen, dass kleine wie große Buchhäuser vor der Tür und im Eingangsbereich gerne Modernes Antiquariat stehen hätten, was sich gerade wieder verändere: „Auch das ist ein Signal an den Käufer“. „Da wird dem Kunde ein falsches Bild vermittelt“, schüttelte Ralf Rebscher vom Magellan Verlag den Kopf; „kein Schuh- und kein Blumenhändler stellt seinen Ramsch und seine schlechteste Ware als erste vor die Tür.“

Auch über die glatten Preise wurden Erfahrungen ausgetauscht. „Das Wechselgeld ist bei den Banken teuer geworden, der Bezahlvorgang mit krummen Beträgen ist teurer, die Kasse zu machen abends kostet entsprechend mehr Zeit – ich fände glatte Preise schon aus betriebswirtschaftlicher Sicht sinnvoller", meinte Riethmüller auf die Nachfrage der Verleger. "Teilweise wollen die Kunden schon den Cent gar nicht mehr zurück ins Portemonnaie haben und winken ab.“

Die nächste Jahreshauptversammlung der avj findet am 11. Juni 2018 in Berlin statt. Dann hören im avj-Vorstand Renate Reichstein und Angelika Schaack auf - damit es so engagiert weitergeht, bat Reichstein, sich bis zum nächsten Jahr zu überlegen, wer mitmacht. Zur Vorbereitung wählten die Mitglieder Antje Keil von S.Fischer und Susanne Stark von dtv junior in den Wahlvorstand: Vorschläge sind ab sofort erwünscht.