Kalenderkunden: eine kleine Typologie

In freier Wildbahn

19. Mai 2016
von Börsenblatt
Und es gibt sie doch, die typischen Kalenderkäufer. Eine Kundensafari durch ihre natürliche Umgebung – den Buchhandel.

Die Familienmanager

Sie managen die Familie, Beruf, Freizeit und die Aktivitäten der Kinder spielend und sind meist weiblich. Unterstützt werden sie dabei von ihrem Uli-Stein-Familienplaner, den sie selbstverständlich rechtzeitig in der Buchhandlung vor Ort ab­holen. Bereits im Januar stehen darin die ersten Termine wie Geburtstage, Turniere oder Auftritte der Kinder, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen. Beate Laufer-Johannes aus der ­Bücherinsel in Frauenaurach, weiß, wo der Familienplaner meist hängt: "In der Küche, gut sichtbar über dem Lichtschalter."

Die Sparfüchse

Er weiß genau, was er will: Der Kalender muss schön, funktional und vor allem günstig sein. Am liebsten sind ihm Exemplare unter zehn Euro, im Idealfall fünf Euro. Verwandschaftsgrade zum Taschenbuchkäufer wurden wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Buchhändlerin Nicola Bräunling aus Puchheim begegnet dem Sparfuchs mit einem Augenzwinkern und guten Argumenten: "Teilen Sie den Kalenderpreis doch mal durch 365!" Hin und wieder funktioniert das nach eigenen Angaben sogar beim Sparfuchs.

Die Formatgetriebenen

Diese Gattung ist in freier Wildbahn besonders häufig anzutreffen. Der Kalender hat einen festen Platz im Leben und in den vier Wänden dieser Spezies – und muss sich entsprechend anpassen. Deshalb ist für diesen Kalenderkäufer kaum etwas so wichtig wie das Kalendermaß. Gern darf es auch der gleiche Kalender wie im Vorjahr sein, denn der Formatgetriebene ist ein Gewohnheitstier. Was passiert, wenn sich doch etwas am Format ändert, weiß Paulette Lamber, verantwortlich für die Marke Heye beim Kalenderhersteller KV & H: "Und wenn es nur eine Abweichung von einigen Millimetern ist, kann das durchaus ein Grund für eine E-Mail an uns sein. Es gibt viele Käufer, die ein bestimmtes Format bevorzugen, weil es eben genau in die Nische der Küche oder an eine bestimmte Stelle in der Diele passt."

Die Abreißer

Das Geräusch eines abreißenden Kalenderblatts versetzt sie in wahre Verzückung – und das 365-mal im Jahr. Die Abreißer lieben ihre morgendlichen Rituale und be­weisen Ausdauer. Auf ihrem Kalenderblatt stehen Bauernweisheiten, Sprachübungen, Sudokus oder Tipps für ein ­Leben im Einklang mit dem Mond. Kathrin Hürdler aus der Buchhandlung Sedlmair in Georgsmarienhütte kennt die Zielgruppe ziemlich genau: "Meist sind es Damen ab 50, die ­diese Rituale lieben – aber auch Lehrer mögen das Geräusch eines reißenden Kalenderblatts", fügt sie scherzhaft hinzu.

Die Selbstlosen

Eines muss man ihnen lassen: Geht es um das Verschenken hochwertiger Kalender, wissen die Selbstlosen ganz genau, was sie suchen. "Während bei der Auswahl von Buchgeschenken häufig große Unsicherheit herrscht, wissen die Kalenderschenker ganz genau, was die ­Beschenkten mögen", berichtet Sortimenterin Nicola Bräunling aus Puchheim. "Sie kennen Hobbys und Vorlieben und haben aus diesem Grund genaue Vorstellungen, welche Motivreihe es schließlich werden soll." Zu den Selbstlosen zählen vor allem Töchter und Enkelinnen, die Eltern oder Großeltern mit einem hochwertigen Kalender Freude bereiten wollen, aber auch Omas und Opas gehören dazu. Sie suchen dann Pferdekalender für die Enkelinnen oder Fußballkalender für die Enkel.

Die Motivsucher

Sie sind die anspruchsvollen unter den Kalenderkäufern. Den Motivsuchern ist vor allem wichtig, dass der Kalender ins Gesamtbild passt. Handelt es sich etwa um einen Wandkalender für die Küche, muss er sich nahtlos in den Landhausstil derselben einfügen. Ein Uli-Stein-Familienplaner? Undenkbar! Passt der Kalender fürs Wohnzimmer farblich nicht zur Couch oder den Vorhängen, wird er nicht gekauft. Auch unterwegs wissen die Ästheten wahre Schönheit zu schätzen, schließlich ist der Taschenkalender zwölf Monate lang fester Bestandteil des täglichen Lebens. Dann soll er auch gut aussehen. Hersteller hochwertiger Kalender wie Paperblanks setzen genau auf diese Zielgruppe – und die ist, wie Kathrin Hürdler von der Buchhandlung Sedlmair in ­Georgsmarienhütte verrät – vorrangig weiblich besetzt und eng mit den Selbstlosen und den Status­orientierten verwandt. 

Die Wissbegierigen

Die Wissbegierigen sind oft Senioren und streben danach, auf der Suche nach neuen Impulsen ihren Horizont zu erweitern. Egal ob Sprachkalender oder Sudoku, Hauptsache, die grauen Zellen werden aktiviert. Die Wissbegierigen sind eng verwandt mit einer anderen Spezies – den Selbstlosen. Denn nicht selten kommt es vor, dass sie die Suche nach einem Kalender für ihre Enkel mit einer ­Mission verbinden, wie Sortimenterin Beate Laufer-­Johannes von der Bücherinsel in Frauenaurach weiß. Da das Kind so gern Sprachen lernt – oder eben nicht –, muss ein Sprachkalender her. Hier kann es allerdings zu Problemen im täglichen Gebrauch kommen: Die Enkel gehören nicht der Spezies der Abreißer an – und so kann es passieren, dass der Kalender im April noch immer den Februar anzeigt.

Die Statusorientierten
Auffällig darf es bei ihnen gern sein, Papier und Druck müssen aber mit besonders hoher Qualität punkten. Wenn der Kalender dann noch besonders viel Platz im Wohnzimmer einnimmt, ist alles perfekt. Der statusorientierte Kalenderkäufer existiert heute vielerorts als bedrohte Art. Hochwertige Kalender verkauft die Puchheimer Sortimenterin Nicola Bräunling trotzdem: "Gerade die teuren Kalender finden häufig durch Zufall ihre Abnehmer. Die Käufer betreten den Laden, werden durch einen Kalender an etwas erinnert und greifen kurzentschlossen zu. Dann kann der Kalender auch mal im höheren Preissegment liegen."