Kein & Aber empfängt im Zelt

"Betreutes Trinken"

16. Oktober 2015
von Börsenblatt
Der Buchmarkt ist tot – Kein & Aber-Verleger Peter Haag schult um und eröffnet eine Safari-Lodge auf der Frankfurter Agora. Wie bitte? Aber so steht’s zu Messebeginn in einem Bulletin aus der Zürcher Bäckerstraße. Höchste Zeit für eine Ortsbegehung.   

Eigentlich, meint Kein & Aber-Verleger Peter Haag, hat sich auf der Messe seit den 50ern gar nicht so viel geändert: "Guckkastenstände", vor denen immerhin keine Kordel mehr hängt. "System-Kojen mit Systembüchern und Systemabläufen." Aber: Wie Rankommen ans eventverwöhnte Lesepublikum? Und noch dazu in ökonomisch nicht ganz einfachen Zeiten, die, wie schlechtes Wetter, plötzlich über einen kommen? Der verflixte starke Franken. Einige von Haags Schweizer Kollegen haben sich fürs Fernbleiben, fürs Sparen entschieden. Nichts davon bei Kein & Aber: "Wir sind zur Erkenntnis gekommen, dass wir die Buchmesse sehr wohl brauchen. Aber in einer anderen Form."

Christoph Tophinke (Chelsea Farmer’s Club), seit Jahren so etwas wie der Chefausstatter der Zürcher, hat Kein & Aber auf der zugigen Agora ein kuschelig-verschrobenes Expeditions-Zelt aufgebaut, das sich anfühlt wie ein begehbarer Roman von Christian Kracht. Rattansessel, in denen man bequem versinkt, Nippes und Trödel vom Flohmarkt oder aus ebay-Auktionen, ein großes Sepp-Blatter-Porträt an der Wand über der Bar. Ein Kuriositätenkabinett. Und immer wieder, einzeln oder in Gruppen: Bücher, über die man dann schon fast zwangsläufig redet. "Wir wollen unsere Bücher nicht als Belästigung empfinden, sondern als Bereicherung."

Reden wir von Effizienz: Folgt man Haag, hat der schräge Auftritt nicht unbedingt weniger gekostet als ein normaler Hallen-Stand. In Zürich dachten sie weniger ans Sparen, sondern an die Frage: Wie kriegen wir für unsere schönen Franken die größtmögliche Werbewirksamkeit? Am Donnerstag gibt Haag ein Interview nach dem anderen, Mittwochabend soll die Chefredaktion des "Spiegel" geschlossen in den Rattansesseln versackt sein. "Betreutes Trinken" nennen sie das bei Kein & Aber.

Noch auf der Messe soll das Zusammengetragene wieder aufgelöst werden: Alles muss raus! Man kann Gebote abgeben und sein schräges Lieblingsobjekt direkt nach Messeschluss am Sonntag abholen oder sogar Einlagern lassen.

"Als Verleger sind wir Inhalte-Broker", sagt Haag. "Wir verkaufen Emotionalität auf Papier. Und die bildet sich hier an diesem Stand ab. Es geht nicht darum, in eine Attraktionsspirale reinzukommen. Vielleicht bauen wir nächstes Jahr wieder einen ganz ordinären Stand in einer Messehalle? Auf jeden Fall soll unsere Messebeteiligung ihr Geld wert sein – und Spaß machen." Scheint funktioniert zu haben.

nk