Kommentar

Ein Riese überschätzt sich

9. Februar 2011
von Börsenblatt
Apple vergrätzt mit seiner Closed-Shop-Geschäftspolitik die Verlage – und könnte sich damit vielleicht verrechnet haben, meint Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
Es liegt schon etwas Verbissenes  darin, mit welcher Konsequenz Apple seine One-and-Only-Strategie durchsetzen will – zuletzt auf dem iPad, dem lang er­warteten Hoffnungsträger der Zeitungs- und E-Book-Anbieter. In dem Augenblick, in dem vielversprechende Abo-Umsätze winken und sich Chancen für ein innovatives Kundenmarketing auftun, pocht Apple auf seine App-Store-Hoheit. App-Transaktionen, die an Apples Kaufmodul vorbeigeleitet werden, darf es demnach auf dem schicken Tablet nicht geben. Um nicht mit seiner App ausgesperrt zu werden, muss man als Verlag künftig zumindest die Option für einen App-Store-Kauf anbieten. Das sind fast nordkoreanische Freiheitsgrade, die Apple seinen Partnern gewährt. Man fragt sich, ob das Unternehmen nicht doch seine Position überschätzt, wenn es an den Umsätzen der Verlage um jeden Preis mitverdienen will und damit Marktteilnehmer systematisch gegen sich aufbringt.
 
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis andere Tablet Computer mit ausgereifter Software und ohne Zwangsbindung an einen Hersteller-Store auf den Markt kommen. Unter den rund 80 Mitbewerbern auf dem Gerätemarkt gibt es einige Modelle, die dem iPad Paroli bieten können und eine interessante Alternative sein dürften. Die Zukunft – das haben die Diskus­sionen um digitale Anbieter in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen – gehört den offenen Systemen. Deshalb arbeiten große Verlagsgruppen wie Random House und Holtzbrinck an unabhängigen E-Book-Plattformen, die für alle Anbieter und Nutzer zugänglich sind – unabhängig vom jeweiligen Gerät.