Kommentar

Ein guter Tag für das Urheberrecht

23. März 2011
von Börsenblatt
Für das Urheberrecht ist die Ablehnung des Google Book Settlement durch US-Richter Denny Chin eine gute Nachricht. Künftig kann nur digitalisiert werden, wenn der Rechteinhaber zustimmt. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Richter Chin hat bis zuletzt eisern geschwiegen. Kein Signal, wann und wie im Falle Google entschieden werden könnte, sollte nach außen dringen. Kein Raum für Spekulationen geschaffen werden, die sich nur kontraproduktiv auf die Entscheidung ausgewirkt hätten. Das Ergebnis, die 48-seitige, lesenswerte Begründung, mit der er den Entwurf für den Buchsuche-Vergleich abweist, gibt ihm recht. Und nicht nur ihm: allen, die mit ihrer Kritik und ihren Einsprüchen die Einschätzung des Falls durch die Öffentlichkeit und die Institutionen gedreht haben – gerade auch dem Börsenverein.

Denn die anfängliche Sympathie für das Google Book Settlement, die bis in deutsche Verlagsgruppen hineinreichte, wich einer fundamentalen Skepsis, die an erster Stelle das Urheberrecht weltweit bedroht sah. Aber auch die Vorstellung, eine privatrechtliche Vereinbarung, die den Gesetzgeber übergeht, könnte neue, schlechtere Standards für das Urheberrecht setzen oder es gar aushöhlen, musste jeden Beobachter und Beteiligten erschrecken. Schließlich galt es, den Monopolbestrebungen des Internetgiganten Google, der durch das Settlement in eine klare Vorteilsposition bei der Vermarktung digitaler Inhalte gelangt wäre, einen Riegel vorzuschieben.

Das zentrale Argument Denny Chins, dass Google Autoren und Verlage vor der Digitalisierung ihrer Werke um ihre Zustimmung hätte bitten müssen (und künftig bitten muss), kann von den Urhebern als der wahre Sieg gefeiert werden. Die bisherige "Opt-out"-Regelung, die Google vorschlug, ist damit endgültig "out". Die Formel für heute und morgen lautet "Opt-in" und setzt bei jeder Art von Digitalisierung die Zustimmung des Rechteinhabers voraus.

Die Siegeslaune wird niemanden dazu verführen, sich selbstgerecht zurückzulehnen. Es wird nun erst recht darauf ankommen, eine urheberrechtsverträgliche Lösung herbeizuführen, die das Ziel, möglichst viele vergriffene oder verwaiste Werke im Internet zugänglich zu machen, verwirklicht. Denn eine Wissenskultur, die im Internet kommuniziert und Inhalte austauscht, wird ohne ein "digitales Alexandria", wie Scott Turow von der Authors Guild es formuliert, nicht bestehen können.

Im Scheitern des Settlements liegen also auch Chancen – und ganz besonders die Chance, dass sich europäische und angelsächsische Copyright-Tradition im Zeichen der Digitalisierung einander annähern. Hier liegt ein wesentliches Verdienst der Interventionen des Börsenvereins, der VG Wort und der Bundesregierung. Das Fernziel einer globalen Lösung, die Urheber, Verlage und Nutzer auf einen Konsens verpflichtet, rückt durch Denny Chins beherztes Nein ein Stück weit näher.